Interview mit Claudia Bernasconi

28. August 2018

Zumindest in der Deutschschweiz ist Claudia Bernasconi ziemlich unbekannt. Dies, obwohl die praktizierende Osteopathin bereits zwei Mal bei den Marathon Schweizermeisterschaften auf dem Podium stand und im Juni den Titel über 100 km gewann. Nota bene fünf Monate nach der Geburt ihrer Tochter!

Wie hast du "deinen" Tag in Biel erlebt? Kannst du uns Einblick in dein Rennen und deine Gefühlswelt geben?

Ich muss zugeben, dass ich vor dem Start Sorgen hatte und das Bedürfnis aufkam, nach Hause zu gehen. Eine plötzliche Angst befiel mich, Angst vor dem Unbekannten, Angst vor der Distanz. Bis jetzt war meine längste zurückgelegte Distanz ein Marathon!

Mit dem Startschuss begann das Abenteuer mit all seinen Höhen und Tiefen. Ich versuchte an die Worte meiner Freundin Nicole zu denken, die mir mit auf den Weg gab, auf die Natur zu hören, die Gerüche wahrzunehmen und die Ruhe der Nacht zu geniessen.

Bei Kilometer 24 traf ich meinen Mann, was ein totaler Motivationskick war. Dieser war auch nötig, hatte ich doch bereits ein Tief hinter mir. Er motivierte und verpflegte mich. Er weiss genau, was er sagen muss, um mich zu motivieren und zu pushen. Und er weiss auch, wenn es besser ist zu schweigen:-) Und klar, ich dachte viel an meine Tochter, die das erste Mal eine Nacht ohne ihre Eltern verbrachte. Ein grosses Dankeschön an die Grosseltern:-)

Rund 10 Kilometer vor dem Ziel hat mein Mann einen Anruf von meinen Eltern erhalten. Ihre Stimmen machten mir in einer für mich schwierigen Phase des Rennens enorm Mut. Bei Kilometer 94 hatte ich den schwierigsten Moment zu überstehen: Ein Krampf in den Adduktoren! Zweifel und Panik machten sich breit. Zum Glück hat mein Mann die Dinge in die Hand genommen und mich zurück auf den Weg gebracht.

So schaffte ich es bis zur Ziellinie. Es ist unbeschreiblich, was man nach einer anstrengenden Nacht empfinden kann. Eine unvergessliche Freude, die ich mit meinem Mann teilen durfte.

 

Bis jetzt bist du über alle Distanzen bis hin zum Marathon angetreten. Jetzt sogar auch über die 42,2 km hinaus. Wie sieht deine Trainingsroutine ganz allgemein aus und mit der Tochter im Speziellen?

Nach der Geburt habe ich mein Training in die Hände von Bruno Heubi, mehrfacher französischer Meister im Team, gelegt. Er hat für mich einen Plan ausgeheckt, der auf meine freien Tage abgestimmt ist und ohne Einschränkungen beim Training im Stadion. Er wusste genau, wie er mir Selbstvertrauen zurückgeben und mich unterstützen konnte.

Normalerweise starte ich sehr früh am Morgen in der Praxis, arbeite ohne Pause und kann so im Verlauf des Nachmittags trainieren. Während meinen freien Tagen – ich arbeite 80% – laufe ich eher am Vormittag. Und um mit meinem Training flexibler zu sein, habe ich ein Laufband angeschafft. So komme ich auf 6 Einheiten pro Woche und einen Ruhetag.

Manchmal begleitet mich mein Mann mit dem Kinderwagen, oder aber er schaut zu Hause zu der Kleinen, während ich trainiere.

Als Osteopath und Läuferin dürftest du in manchen Situationen verschiedene «Herzen» in dir tragen. Welche drei Tipps würdest du als Osteopath an die Läufer weitergeben? Welche drei an Lauftrainer?

Meine Tipps für die Läufer:

  1. Kaufe in einem spezialisierten Laufsportgeschäft Laufschuhe, die an deinen Fuss und deinen Laufstil angepasst sind (persönlich gehe ich zu New Concept Sport).
  2. Passe deinen Schritt so an, dass du im Mittelfussbereich landest und mit einer Kadenz von 180 Schritten pro Minute unterwegs bist.
  3. Pflege einen guten Muskelaufbau der Füsse und absolviere regelmässig Kraftgymnastik-Übungen für die tiefe Muskulatur.

Meine Tipps für die Trainer:

  1. Passe dich jedem Athleten mit einem personalisierten Programm an.
  2. Achte auf steigende Belastung im Training, arbeite in aufbauenden Blöcken und baue alle 3-4 Wochen eine Ruhewoche ein.
  3. Höre dem Sportler zu, nimm die Gefühle ernst und passe an. Und lass im Fall von Schmerzen alternative Sportarten ausüben.
 

Welches sind in deinen Augen die wichtigsten Punkte, die zum Erfolg führen?

  1. Die Leidenschaft und die Freude
  2. Die tägliche Balance zwischen Familie, Arbeit und Sport
  3. Beharrlichkeit

Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preisgeben kannst?

Man sollte das «Open Window» während den ersten 30 Minuten nach der Belastung respektieren. In dieser Zeit empfiehlt es sich, ein Regenerationsgetränk zu sich zu nehmen. Ich persönlich setze auf jene von Sponser. Weiter ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr essentiell, und ich empfehle den Verbrauch von Mineralsalzen.

Ein einfaches Rezept, das ich sehr mag: Gefrorene Früchte zusammen mit einem griechischen Jogurt und Proteinpulver vermixen. Dies gibt ein hausgemachtes Eis:-)

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