Interview mit Diego Pazos
Diego Pazos, der in der deutschsprachigen Schweiz noch eher unbekannt ist, gehört zu den wichtigsten Akteuren der Ultra Trail Szene. Bei Traditionsläufen wie dem Eiger Ultra Trail, dem Ultra-Trail du Mont Blanc oder dem Transgrancanaria findet man den Lausanner auf einem der vorderen Ränge.
Deine Karriere verläuft nicht gerade klassisch. Du hast viele Jahre lang Fussball gespielt, bevor du deine Karriere als Läufer gestartet hast. Was fasziniert dich am Laufen allgemein und an Ultra Trails im Besonderen?
Der Fussball hat meine Kindheit, meine Jugend und einen Teil meines Erwachsenenlebens geprägt; ich habe tolle Erinnerungen daran und viel über Team-Spirit gelernt, auch wenn der Respekt und das Verhalten im Fussball nicht immer beispielhaft sind. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich neue Herausforderungen brauchte; ich wollte meinen Komfortbereich verlassen und sehen, was ich alles schaffen kann.
Ich habe mit Strassenläufen in und um Lausanne angefangen, dann folgten die Bergläufe; mein Ziel für 2011 war der Sierre-Zinal und gleichzeitig wollte ich weiter Fussball spielen! Ende 2011 haben mich dann die Bilder vom UTMB und diesen «Verrückten», diesen «Begeisterten» und die Vorstellung, so lange in einer so herrlichen Landschaft zu laufen, fasziniert und ich habe zu meiner Frau gesagt, dass das genau die Herausforderung war, nach der ich gesucht hatte.
Der Ultra ist daraufhin eine Leidenschaft für mich geworden - es ist ein unvergleichbares Erlebnis und wahrscheinlich der einzige Sport, bei dem so viele Parameter ins Spiel kommen. Man muss mit enorm vielen Unbekannten klarkommen und vom Ersten bis zum Letzten ist niemand vor Überraschungen gefeit. Aber vor allem ist es ein hochemotionaler Sport, bei dem es darum geht, seine eigenen Grenzen zu überwinden; man teilt so viel mit den anderen Läufern, den Begleitern und den Verfolgern.... das ist einfach magisch!
Im Moment wenden sich viele Läufer dem Ultramarathon zu. Welches sind deine drei besten Tipps, um auf so langen Strecken erfolgreich zu sein?
An oberster Stelle sollte nicht der Wunsch stehen, erfolgreich zu sein, sondern der Wunsch, diese tolle Erfahrung zu machen und ein mehrstündiges Abenteuer zu erleben, bei dem es gilt, mit vielen Parametern klarzukommen, es aber auch eine sehr starke Interaktion mit den anderen Läufern gibt.
- Man sollte Schritt für Schritt vorgehen und regelmässig trainieren, um Verletzungen zu vermeiden, aber vor allem nicht zögern, sich einer solchen Herausforderung zu stellen.
- Bleibt bescheiden; in einer Gesellschaft, in der sich vieles um Image und Ego-Kriege dreht, muss man in der Lage sein, seine Läufe differenziert und kritisch zu betrachten und zu analysieren... sowohl die guten, als auch die weniger guten.
Bei einem Ultramarathon spielt die Verpflegung nicht nur eine wichtige, sondern eine regelrecht entscheidende Rolle. Wie sieht dein Verpflegungsplan für einen Lauf wie den Eiger Ultra Trail aus?
Die Verpflegung ist in der Tat sehr wichtig, aber vor allem ist es wichtig, das ganze Rennen über regelmässig Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen. Das mag trivial klingen, aber man vergisst das Essen in solchen Momenten manchmal einfach, und im Allgemeinen rächen sich diese Fehler auf die eine oder andere Weise.
Bei der Verpflegung wechsle ich im Allgemeinen meine Trinkflaschen und ich nehme vorbereitete Snacks in einer Tüte mit, um den folgenden Streckenabschnitt zu bewältigen.
Wenn ich am Verpflegungspunkt stoppe, plane ich mit meiner Frau, die hier die «Fachfrau» ist, Wechselmaterial (Schuhe, T-Shirt, Socken usw.) und allgemein ein paar salzige und gehaltreichere Snacks ein, die ich nicht mit mir herumtragen kann.
Dieses Jahr organisierst du selbst einen Lauf. Verrätst du uns ein bisschen etwas von deinem Projekt? Welche Herausforderungen erwarten die Organisatoren eines solchen Events heutzutage?
Genau, dieses Jahr habe ich die Organisation des Montreux Trail Festivals (MXT) übernommen - die erste Ausgabe findet vom 27. bis 30. Juli 2017 statt. Ich wollte gerne meine tollen Trainingsgegenden in Montreux und den Waadtländer Alpen zeigen; ausserdem möchten mein Team und ich ein neues Konzept präsentieren, bei dem jeder - vom Läufer über die oft vernachlässigten Begleiter bis hin zu den Zuschauern - eine tolle Zeit verbringt. Bei einem solchen Event reist der Läufer in der Regel nicht alleine an; er kommt mit seiner Familie oder mit seinen Freunden und wir möchten, dass auch sie eine gute Zeit haben. Dieser Wunsch entstand insbesondere aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, denn es gab einige Läufe, bei denen meine Frau lange Wartezeiten überbrücken und Däumchen drehen musste, und es kein Rahmenprogramm zur Unterhaltung gab.
Der MXT ist in dieser Hinsicht eine tolle Mischung aus Musik und Trail (Langstreckenlauf in der Natur und auf befestigten Wegen) mit musikalischer Unterhaltung an einigen Punkten entlang der Strecke und Gratiskonzerten auf der Place du Marché in Montreux und in Villars-sur-Ollon. Er ist auch eine tolle Gelegenheit zum Feiern mit Freunden, beispielsweise bei der Freddies Night15, einer Einsteigerstrecke über 15 km bei Sonnenuntergang und nachts ohne Zeitschranken, für Jedermann und mit einem umfangreichen Rahmenprogramm entlang der ganzen Strecke... Der Freddie-Mercury-Spirit wird alle Teilnehmer beflügeln!
Insgesamt gibt es 7 Laufformate: www.montreux-trail.ch
Von Donnerstag 27. Juli bis Sonntag 30. Juli entsteht in der Markthalle und auf der Place du Marché in Montreux ein MXT-Dorf. Dieses ist nicht nur zentrale Anlaufstelle für alle eintreffenden Läufer, sondern gleichzeitig auch ein Festivaldorf mit einer Bühne, Ausstellern und speziell für diesen Anlass ausgewählten Essenständen.
Dieses Event ist eine enorme Challenge und ich hoffe, sie wird auch als solche wahrgenommen. Wir organisieren einen Lauf mit mehreren Formaten und vor allem einer sehr anspruchsvollen Ultra-Strecke; gleichzeitig stellen wir ein Musikprogramm auf die Beine mit mehreren strategischen Veranstaltungsorten entlang der Strecke. Eine Wahnsinnsarbeit, die wir mit unglaublich viel Enthusiasmus und Leidenschaft angehen!
Wenn man einen Lauf wie den Eiger Ultra Trail vorbereitet, gibt es sicherlich ein Schlüssel-Training, das Rückschlüsse auf die körperliche Form zulässt. Verrätst du uns dein Erfolgsgeheimnis?
Im Allgemeinen geben die Vorbereitungsläufe Aufschluss darüber, denn häufig sind die letzten grossen Trainingseinheiten zwei Wochen vor dem «Ziel» von Müdigkeit geprägt, insbesondere kurz vor der Erholung und dem «Tapering» - darauf zielt in gewisser Weise auch die Superkompensation ab, um am Tag X in Bestform zu sein. Wenn mein letzter langer Lauf gut war und ich Spass hatte, dann stehen alle Zeichen auf Erfolg.
Der Schlüssel für den Erfolg beim Ultra ist meiner Meinung nach, am Tag des Laufs mental frisch genug zu sein, um die Lust zu verspüren, in den schwierigsten Momenten aus seinem tiefsten Inneren zu schöpfen. Achtung vor einem Übertraining - das kann der eigenen Leistung mehr schaden als ein leichter Trainingsrückstand. Und noch ein letzter Tipp: Tendenziell konzentrieren sich viele darauf, den Aufstieg zu trainieren, aber beim Trail ist der Abstieg genauso wichtig, und wer den Abstieg nicht gut beherrscht, verliert viel mehr Zeit, als wenn er beim Aufstieg schlecht ist!
Foto: ZVG
Wir danken Diego Pazos für die spannenden Antworten.
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