Noè Ponti, Olympia-Bronzemedaillengewinner 2021

10. Mai 2022

Foto: Patrick Kraemer

Noè Ponti – im Alter von gerade einmal 20 Jahren hat sich der junge Mann in der internationalen Schwimm-Elite bereits einen Namen gemacht hat. Seine grössten Erfolge? Eine olympische Bronzemedaille, eine Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft und zahlreiche Schweizer Rekorde. Wer weiss, ob nicht irgendwann auch der Weltrekord kommt…  

Wie hast du die Olympischen Spiele und die Bronzemedaille erlebt? Kannst du uns Einblick in deine Gefühlswelt geben?

Die Olympischen Spiele sind das höchste Ziel eines Sportlers: Für einen Schwimmer sind sie der grosse Lebenstraum, wenn man bedenkt, dass das Schwimmen, zusammen mit Leichtathletik, als Grunddisziplin der Olympischen Spiele gilt. Auch, weil dabei so viele Nationen aus der ganzen Welt wie sonst nirgends vertreten sind. Wenn du tatsächlich dort ankommst, bist du total aufgedreht. Ich konnte trotz einiger pandemiebedingter Einschränkungen mein Leben im olympischen Dorf geniessen und habe viele unterschiedliche und interessante Leute getroffen, Schwimmer und auch Athleten anderer olympischer Disziplinen. Bei all dem ist klar, dass meine Steigerung in den Wettbewerben in Tokio, deren Höhepunkt die Medaille im 100m Schmetterling war, mich in eine Situation versetzt hat, die ich mir vorher nicht hätte träumen lassen, obwohl ich mir meiner Möglichkeiten bewusst war. Plötzlich bist du im Zentrum der Aufmerksamkeit aller und lebst in einer Art Blase: Erst nach einiger Zeit verstehst du so langsam die Grössenordnung deiner Leistung. Ein fantastisches Gefühl und gleichzeitig eine Situation, die nicht so leicht zu managen ist und an die du dich in den nächsten Wochen gewöhnen musst, auch mithilfe deines allernächsten Umfelds. 

 

Welches sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Faktoren, die dich so stark gemacht haben?

Zuallererst war das Umfeld, in dem ich lebe und trainiere, wichtig. Das richtige Gefühl bei den Trainern und ein professionelles Team zu haben, das dich betreut, das vorbereitet ist und dem du vertraust, ist eine Grundvoraussetzung, um unbeschwert trainieren zu können. So stehst du auch die schwierigen Momente durch und überwindest sie. Ich persönlich habe das Glück, von zwei erfahrenen Trainern betreut zu werden, denen ich voll vertraue, von einem Fitnesstrainer, der mir geholfen hat, mich physisch schrittweise und im richtigen Verhältnis weiterzuentwickeln, von einem Sport-Physiotherapeuten, der mich seit über zehn Jahren regelmässig betreut, von einem Osteopathen, der sich seit ein paar Jahren regelmässig um «meine Ausrüstung» kümmert und einem Sportpsychologen, der mir bei den mentalen Aspekten hilft, die genauso wichtig sind wie die physischen. Zu meinem Team gehört aber auch meine Familie: meine Mama, mein Papa und meine Schwester betreuen mich, haben mich schon immer unterstützt und mir bei allen Aspekten meines Sportlebens geholfen – nicht nur bei meinem Sport selbst, sondern auch bei der Organisation des ganzen Drumherums.

Der zweite Aspekt, der wichtig war, um mein aktuelles Niveau zu erreichen und der mich hoffentlich auch noch weiterbringt, ist die konstante Arbeit beim Training und das Bewusstsein, dass es ohne das nicht möglich ist, wichtige Ziel zu erreichen. Ich denke, die Konstanz, die sehr intensiven Trainingseinheiten mit dem grösstmöglichen Einsatz zu absolvieren, und die physische und mentale Leidensfähigkeit sind unverzichtbar, um das höchste Niveau beim Schwimmen oder jeder anderen Sportart zu erreichen und sich dort zu halten. Dadurch, dass pandemiebedingt die wichtigsten internationalen Wettbewerbe für das ganze Jahr 2020 ausgesetzt wurden, kam ich mit einem Jahr mehr an Vorbereitung zu den Olympischen Spielen. Das hat mir, weil ich so jung war, geholfen, mich noch weiterzuentwickeln.

Der dritte Faktor, der mich auf das aktuelle Niveau gebracht hat, ist denke ich ein gewisses Naturtalent, das mir einen aussergewöhnlichen Auftrieb und Durchdringen des Wassers ermöglicht; meine Körpergrösse (1,92 m) und allgemein mein Körperbau sind von Vorteil. Und meine mentale Einstellung, die, wie sich gezeigt hat, effektiv beim Umgang mit dem Stress im Training und den Wettbewerben ist. Aber ich denke, alle diese «Talente» hängen – abgesehen davon, dass man sie trainieren muss – absolut von den schon genannten Punkten ab: Es kommt auf die äusseren Umstände, die Personen, die dich täglich umgeben und die Leidensbereitschaft im Training an.          

Welche Trainingstipps würdest du einem Amateurschwimmer geben?

Für einen jungen Amateurschwimmer ist es meiner Meinung nach zuerst einmal wichtig, Spass zu haben, bei dem, was er tut, angefangen bei den Trainingseinheiten und dem Umgang mit den Teamkollegen. Dann muss man sich Ziele setzen, die den eigenen Fähigkeiten entsprechen, Schritt für Schritt, und alles daransetzen, sie zu erreichen. Und last but not least ist es auf jeden Fall wichtig, einen Traum zu haben, wie ein Leuchtturm, auf den man zuschwimmt, aber ohne zu vergessen, dass es dein eigener Traum sein muss und nicht der deines Trainers oder deiner Familie. Ausserdem darf dich der Traum nicht von der Alltagsrealität ablenken; vielmehr sollte er ein Anreiz sein, immer mit vollem Einsatz zu trainieren.  

 

Kannst du uns eine deiner «typischen» Trainingswochen beschreiben?

Die Art, Dauer und Intensität des Trainings hängen auch vom Vorbereitungszeitraum im Laufe der Schwimmsaison ab. Durchschnittlich absolviere ich ungefähr zehn mehrstündige Trainingseinheiten pro Woche im Wasser: zwei jeweils montags, dienstags, donnerstags und freitags (morgens und nachmittags), eine mittwochnachmittags und eine samstagmorgens. Dann trainiere ich durchschnittlich vier Mal für mindestens eine Stunde im Fitnessstudio, normalerweise bevor ich nachmittags ins Wasser gehe.

Hast du einen «Trumpf im Ärmel», auf den du in der Vorbereitung setzt, den du uns verraten könntest?

Eigentlich hat meine Vorbereitung, wie wahrscheinlich bei allen anderen Spitzenathleten, nichts «Magisches». Wie gesagt kommt es auf das Training, auf die Konstanz und eine gewisse mentale Stärke an. Und manchmal muss man eine Pause einlegen und sich anderem widmen können, um die psychischen und physischen Kraftreserven aufzufüllen.