Wundermittel Eigenbluttherapie?

Patrick Noack 16. novembre 2016

Die Grundlage für das plättchenreiche Plasma – kurz PRP genannt – bildet das Blut des Patienten. Durch Zentrifugieren (Schleudern des abgenommenen Blutes) erhöht man die Konzentration der darin enthaltenden Blutplättchen sowie der im Plasma vorhandenen Wachstumsfaktoren. Diese Substanzen fördern die Reparatur oder Regeneration von beschädigtem Gewebe. Daher geht man davon aus, dass eine Eigenblutspritze mit angereicherten Blutplättchen die Heilung einer gerissenen oder entzündeten Sehne sowie eines gezerrten Muskels beschleunigen kann. Glaubt man Werbeprospekten, hilft plättchenreiches Plasma zudem auch gegen Falten, Haarausfall oder Akne-Narben. Doch wie sieht die Studienlage aus? 

Geringe gesetzliche Auflagen

Der erste Kritikpunkt von Experten ist die Tatsache, dass für die Einführung körpereigener Blutprodukte – im Gegensatz zu neuen Medikamenten – kein medizinischer Wirknachweis erforderlich ist. Lediglich die Sicherheit des Produktes muss gegenüber den entsprechenden Institutionen, wie z.B. der U.S. Food and Drug Administration (FDA), Swiss Medic usw. belegt werden. 

Das zweite Problem: Die Aussagen der vorhandenen, durchgeführten Studien über plättchenreiches Plasma sind sehr unterschiedlich. Einige Studien zeigen einen Nutzen, die meisten hingegen sehen keine Vorteile. 2014 berichteten niederländische Forscher im Ärzteblatt „New England Journal of Medicine“, dass eine Eigenbluttherapie bei Muskelverletzungen nichts bringe. Im gleichen Jahr ergab eine Übersichtsarbeit der „Cochrane Collaboration“ hinsichtlich Schmerz und Funktion keinen Vorteil von PRP verglichen mit Placebo, „Dry-Needling“ (Behandlung mit feinen Nadeln) oder gar keiner Therapie. Dabei lagen verschiedene Diagnosen wie Tennis-Ellbogen, Achillessehnen-Entzündung usw. vor. Kollegen aus Oxford haben mittlerweile zehn weitere Studien unter die Lupe genommen, sie konnten aber aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse und mangelhaftem Studiendesign keine klaren Schlüsse daraus ziehen. Das grosse Problem liegt offensichtlich darin, dass PRP kein standardisiertes, sondern ein individuelles Verfahren darstellt. Je nach Herstellungsmethode kann das plättchenreiche Plasma eine andere Zusammensetzung haben. 

Lehren für die Praxis  

Die Alltagserfahrung in der Praxis sieht etwas anders aus als die wissenschaftliche Analyse. Bei genauer Diagnose und bereits durchgeführten konservativen Therapiemassnahmen wie Physiotherapie, exzentrischen Übungen (Streckung des Muskels), Traditioneller Chinesische Medizin usw. haben wir in der Medbase in Abtwil SG bei Sehnenverletzungen und Sehnenentzündungen gute Erfahrungen mit der PRP gemacht. Dabei muss man die Patienten immer gut aufklären: Eine Sehnenheilung benötigt auch nach einer Eigenbluttherapie je nach Diagnose 4-6 Wochen. Vor einer allfälligen Operation oder einer Cortisonspritze – welche ich in eine Sehne aufgrund der Reissgefahr nie empfehlen würde – ist eine Therapie mit plättchenreichem Plasma aus meiner Sicht aber durchaus in Erwägung zu ziehen. 

Für eine Eigenbluttherapie besonders geeignete Verletzungs-Diagnosen: 

  • Achillessehnen-Entzündung oder Teilriss
  • Kniescheibensehnen-Entzündung oder Teilriss
  • Tennis- oder Golfer-Ellbogen
  • Muskelverletzungen wie z.B. Muskelfaserrisse

Mit Nebenwirkungen muss man bei einer Eigenbluttherapie kaum rechnen, denn plättchenreiches Plasma ist ein körpereigenes Produkt. In einer Studie war zwar ein Prozent der PRP-Proben verunreinigt, eine Infektion der Patienten wurde jedoch nicht beobachtet. 

Weitere Informationen zum Thema:

Redaktionelle Aufbereitung: FIT for LIFE