Achillessehnenentzündung: Läuferkrankheit Nummer 1

Achilles, der griechische Held mit der verletzbaren Ferse. Wie der Meisterdetektiv Sherlock Holmes die Ursachen der Achillessehnenentzündung ergründet.

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Gestern in der Arztsprechstunde…

Patient, männlich, 60-jährig, engagierter Hobbyläufer, 2-3-mal pro Woche eine knappe Stunde. Seit ein paar Wochen geht gar nichts mehr, maximal fünf Minuten Joggen läge noch drin. Seit fünf Monaten Schmerzen an der Achillessehne rechts. Dort eine kleine Verdickung, die besonders weh tut. Und ja, er war bereits beim Hausarzt, habe zwei Serien Physiotherapie hinter sich. Ohne den gewünschten Erfolg. Kurzum: Ein Fall für Sherlock Holmes.

Der Meisterdetektiv weiss natürlich…

Auch die Achillessehne wird älter. Sie ist die dickste Sehne des menschlichen Körpers mit einem Querschnitt von knapp 1 cm2. Im Alter gelangen immer weniger Nährstoffe ins Innere der Sehne. Die Sehne hungert und entwickelt eine entzündliche Verdickung. Sozusagen ein „Selbstheilungsversuch infolge lokaler Mangelernährung“. Dieses „ernährungsbedingte“ Achillessehnenproblem ist nicht zu verwechseln mit der „Ansatzentzündung“ direkt am Fersenbein – eine ganz andere Geschichte.

Der Meisterdetektiv weiss zudem, dass die Faserbündel im Innern der Achillessehne spiralförmig gedreht sind – genau wie beim dicken Stahltragseil einer Drahtseilbahn. Ich bin sicher, du kennst das Bild: In einer Gondel sitzend und aus dem Fenster schauend schwebst du elegant und zügig über den nächsten Masten hinweg, für einen kurzen Moment kribbelts im Bauch, dann blickst du fasziniert auf das immer länger werdende, straff gespannte und schnurgerade Seil. Genau darauf kommt es an: straff gespannt und schnurgerade! Was für das Drahtseil gilt, gilt auch für die Achillessehne: Knickfrei und straff gespannt! Und noch etwas weiss Sherlock Holmes: Im Gegensatz zum Stahlseil kann eine gesunde Achillessehne um bis zu 16% ihrer Länge elastisch-federnd nachgeben. Ganz schön viel, oder?

So, und jetzt zurück zum Patienten…

  1. Er hat Knickfüsse, die Fussdruckmessung dokumentiert das Ausmass der Fehlstellung eindrücklich: Schritt für Schritt fehlt damit der „schnurgerade und knickfreie Zug“ auf die Achillessehne, Schärkräfte und Sehnenschäden sind programmiert.
  2. Das Sprunggelenk ist eingerostet, viel zu steif; Die Wadenmuskeln sind trotz regelmässiger Dehnübungen zu Hause immer noch verkürzt.
  3. O-Beine – da stimmt die Zugrichtung von oben nicht. Unten Kickfüsse, oben O-Beine bedeutet Doppelknick für die Achillessehne.
  4. Der Beckenschiefstand mit Beckenverdrehung führt zu einer asymmetrischen Belastung der Füsse – in diesem Fall zu Ungunsten des rechten Fusses.
  5. Beginnende Hüftarthrose rechts, was die Kompensationsmöglichkeiten des belasteten rechten Beines einschränkt.
  6. Arthrose im Grosszehgrundgelenk auf der anderen linken Seite, was Schritt für Schritt beim Abrollen schmerzt und eine Mehrbelastung des rechten Beines erzwingt.

Sherlock Holmes eröffnet dem überraschten Patienten seine sechs Punkte umfassende Indizien-Beweisführung, warum es bei ihm – nebst Alter, Sitzjob und Laufsport – zu einer Achillessehnenentzündung auf der rechten Seite kommen muss. Der Patient meint, das sei alles gut nachvollziehbar, decke sich mit seinem Körpergefühl. Warum das niemand zuvor festgestellt habe? Gute Frage! Und weiter, was er jetzt tun müsse, damit die Schmerzen verschwänden und er wieder joggen könne?

Denkpause!

1. Knickfüsse… 2. Sprunggelenk eingesteift… 3. Usw… Ich bin sicher, du bist inzwischen zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt wie Sherlock Holmes: Was schräg ist, wird begradigt, was steif ist, wird mobilisiert, was entzündet ist, wird vorübergehend geschont, was verkürzt ist, wird aktiv gedehnt… Zudem wird das arthrotische Grosszehgrundgelenk auf der Gegenseite durch Laufschuhe mit steifen Sohlen entlastet.

Im obigen Fall mit dem Aktenzeichen 1588-331 hat es fünf Monate gedauert, danach wurde das Ziel 40-50 Minuten schmerzfreies Joggen zweimal die Woche erreicht. Fall gelöst. Und nebenbei haben sich Lauftechnik und Laufstil merklich verbessert: Kürzere Schritte, aufrechtere Haltung, Upbeat-Laufstil…

Fazit…

Sherlock Holmes soll gesagt haben „Jeder Fall ist anders“. Recht hat er! Achillessehnenentzündung ist nicht gleich Achillessehnenentzündung. Jeder Fall ist anders, jeder Fall ist individuell. Die Kunst besteht darin, sorgfältig alle Indizien zu sammeln, scharf nachzudenken und dann den Fall zu lösen!

Übung: Waden-Stretch

Ziel: Verlängerung verkürzter Wadenmuskeln. Der Waden-Stretch ist eine sehr häufig empfohlene, aber oft auch falsch ausgeführte Übung. Der Muskel muss lernen, Länge unter Anspannung (aktiv) zuzulassen. Länge im entspannten Zustand (passiv) ist nicht zielführend

Hilfsmittel: Stabile Wand.

Start: Stell dich einen halben Meter vor die Wand, mit beiden Händen gegen die Wand gestützt, der Oberkörper ist leicht schräg nach vorne geneigt.

Aktion: Morgens und abends je 5 Minuten:

  1. Im Zeitlupentempo an Ort und Stelle gehen. Dabei jeweils eine Ferse langsam nach hinten zum Boden absenken… dann die andere Ferse….
  2. Links-rechts-Seitenwechsel im 6-10 Sekundenrhythmus.
  3. Mit der Zeit Neigungswinkel zur Wand und «Schritttempo» variieren.

Aufgepasst: Während des langsamen Absenkens der Ferse ist das andere Bein in der Luft. Nach jedem Seitenwechsel beginnst du mit dem hinteren Bein im Zehenstand, dann Ferse langsam absenken. Je grösser der Abstand des hinteren Fußes zur Wand, umso grösser der Stretching- und Verlängerungseffekt auf die Wade. Umso grösser aber auch die Belastung im Vorfuss und im Sprunggelenk. Schmerzen im Vorfuss oder im Sprunggelenk zeigen an, dass die Belastung zu gross ist – Abstand verkleinern und/oder Vorfuss weicher betten. In Schuhen ist das aktive Waden-Stretching einfacher auszuführen als barfuss.

Variante: Integration in den Alltag. Achte beim Gehen darauf, dass sich die Ferse des hinteren Beines nicht zu früh vom Boden löst.