„Am Darm kommt keiner vorbei"

3. Juli 2019

Wenn der Magen streikt, werden physische Leistungen zur Tortur. Und umgekehrt gilt: Ein gesunder Darm treibt Sportler zu Höhenflügen. Naturarzt und Triathlet Christian Harzenmoser erklärt, wie der Darm auf Vordermann gebracht werden kann.

 

„Der Darm ist der Vater aller Trübsal“, hat schon Hippokrates vermutet, und tatsächlich haben wissenschaftliche Studien in den letzten Jahren bestätigt, dass der menschliche Darm direkt mit unserem Gefühlszentrum im Gehirn in Kontakt steht. Der Darm ist zudem unsere Hauptkommunikationsfläche mit der Umwelt und ein entscheidendes Immunorgan. Da er für die Aufnahme von Nährstoffen eine gewisse Durchlässigkeit besitzen muss, birgt die riesige, rund 300-500 Quadratmeter grosse Oberfläche die Gefahr, dass Schadstoffe oder Krankheitserreger – beispielsweise mit der Nahrung – über den Darm in den Körper gelangen können.

Die gewichtige Bedeutung eines gesunden Darms zeigt sich auch im Ausdauersport. Athleten beschäftigt der Darm dabei meist in zwei gänzlich unterschiedlichen Situationen. Erstens sind Magenbeschwerden wohl dasjenige Leiden, welches vor allem bei langen und intensiven Ausdauerwettkämpfen am häufigsten dafür verantwortlich ist, dass ein Sportler seine Leistungsfähigkeit nicht abrufen kann. Und zweitens kommen Sportler mit chronischen Darmproblemen gar nicht erst in die Situation, Höchstleistungen vollbringen zu können. Christian Harzenmoser, Triathlet und Naturarzt aus Niederteufen, kennt als Ausdauersportler und in seiner täglichen Arbeit mit Sportlern beide Seiten dieser Darmproblematik.

Christian Harzenmoser, im Ziel eines langen Wettkampfes wie Marathon oder Ironman, berichten Athleten häufig über Magenbeschwerden, Magenkrämpfe und Unwohlsein. Woran liegt das?

Eine intensive sportliche Belastung beeinträchtigt die Durchblutung und damit auch die Leistungsfähigkeit des Magen-Darm-Traktes wesentlich. Unter Höchstleistung wird der Sauerstoff vorwiegend für das Funktionieren der Muskulatur verwendet. Und je höher die Belastung ist, desto weniger kann der Magen durch die Unterversorgung seine von ihm geforderten Aufgaben erfüllen. Die Folge kann sein, dass er seinen Dienst vorübergehend quittiert und es zu den erwähnten Folgeerscheinungen wie Krämpfe, Unwohlsein bis hin zum Erbrechen kommt.

 

Sportler sind bei Ausdauerleistungen im Clinch: Einerseits verbrennen sie durch die Anstrengung viel Energie und müssen diese wieder zuführen, andererseits hat ihr Darm eingeschränkte Kapazitäten, die aufgenommene Energie zu verdauen. Wie geht man am besten mit diesem Widerspruch um?

Man sollte die passende Nahrungsaufnahme unbedingt im Training austesten, denn welche Art von Ernährung sich in welcher Form auf die Leistungsfähigkeit auswirkt, ist sehr individuell. Die richtige Ernährung ist Gefühls- und Erfahrungssache, aber auch von der Ambition des Sportlers abhängig. Es spielt eine Rolle, welche Ziele man hat und in welcher Sportart man unterwegs ist. Wenn man bei einem Olympischen Triathlon um jede Sekunde kämpft, bleibt keine Zeit zum Essen, wenn man es hingegen gemütlich nimmt und einfach das Ziel erreichen will, kann man problemlos einen Happen einnehmen. Auch die Dauer spielt eine Rolle: Je länger eine Belastung dauert, desto eher kann feste Nahrung in Betracht gezogen werden oder ein Mix aus salzigen und süssen Sachen. Wer mehrere Stunden unterwegs ist, möchte oft Abwechslung bei seiner Verpflegung haben und etwas kauen. Denn man darf nicht vergessen: Ob man genügend isst oder nicht, ist auch vom Geschmack abhängig.

Ist bei intensiven Belastungen Flüssignahrung am praktischsten?

Ja, definitiv, Flüssignahrung ist leichter verdaulich als Festnahrung und wird vom Magen einfacher aufgenommen. Leistungssportler verpflegen sich bei sportlichen Leistungen bis etwa Ironmandauer in erster Linie flüssig. Meist mit einer Kombination aus Wasser und Gels oder einem Mix aus Sportgetränk, Wasser und Gels. Zu beachten dabei ist, dass alle Zusätze, die in Sportgetränken oder Gels enthalten sind wie L-Carnitin, Koffein usw. allenfalls Unverträglichkeiten auslösen können, deshalb muss man im Vorfeld herausfinden, welche Produkte von welchem Hersteller man verträgt und welche nicht. Und ebenfalls zu beachten ist, dass man die passende Ernährung im Training im geplanten Wettkampftempo austestet und nicht bei einer lockeren Einheit. Wenn man feste Nahrung bevorzugt, sollte man darauf achten, diese in möglichst viele kleine bis sehr kleine Portionen aufzuteilen.

 

Wie soll man reagieren, wenn es beim Sporttreiben zu Magenbeschwerden kommt?

Als erstes bleibt nicht viel anderes übrig, als das Tempo zu drosseln. Oft beruhigt sich der Magen dann rasch wieder. Wenn gar nichts mehr geht, muss man die Anstrengung unterbrechen. Immer gut ist Flüssigkeit einzunehmen, am besten Wasser. Und manchen hilft punktuell auch Cola.

Die Ernährung und die Reaktion des Magens unter Belastung ist das eine, ein allgemein gesunder oder eben nicht voll funktionsfähiger Darm im Alltag das andere. Wie wichtig ist der Darm für den Menschen?

Am Darm kommt keiner vorbei! Nicht umsonst wird er auch als „Bauchhirn“ bezeichnet. Der Darm beeinflusst unser Immunsystem, die Psyche, die Leber, das Hormonsystem und vieles mehr. Serotonin beispielsweise gilt beim Menschen als Wohlfühlhormon, es entspannt, vermittelt ein gutes Gefühl und hat auch Einfluss auf die Endorphine. 90% des Serotonins wird im Darm produziert und nur 10% im menschlichen Gehirn.

Wie viele Menschen sind mit Darmproblemen konfrontiert?

Das kommt auf die Messlatte an. Die meisten sind ganz zufrieden mit ihrem Darm, ich denke aber, sie unterschätzen das Potenzial eines einwandfrei funktionierenden Darms und oft werden zahlreiche Beschwerden nicht mit dem Darm in Zusammenhang gebracht, obwohl die Problematik dort ihren Ursprung hat. Die meisten Menschen stufen eine siebzig prozentige Funktionsfähigkeit bereits als gut ein. Ein Reizdarm ist zwar eine offensichtliche Problematik, aber Allergien oder gewisse Intoleranzen werden oft nicht als solche bemerkt.

Was sollten Sportler bei der Alltagsernährung beachten?

Die Grundlage ist eine basische und möglichst glutenfreie Ernährung mit Kartoffeln, Nüssen, Früchten, Salat und Gemüse. Der Säure-Basen-Haushalt sollte sich im Gleichgewicht befinden. Sauer wirkende Nahrungsmittel wie Alkohol, tierische Eiweisse, Käse, Wurstwaren, Pommes Frites, Weissmehlprodukte, Cola oder andere kohlensäurehaltige Getränke sind daher mit Vorsicht zu geniessen. Auch Stress oder Medikamente haben einen ungünstigen Einfluss auf das Säure-Basen-Gleichgewicht.

 

Welche Wirkung hat Stress auf den Darm?

Eine sehr grosse. Stress, Angst, Nervosität – dies alles schlägt sprichwörtlich auf den Magen. Die Systeme werden dann andersweitig benötigt, die Verdauung wird auf ein Minimum hinuntergefahren mit der Folge, dass das Magen-Darm-System rasch rebelliert, wenn die Faktoren sportliche Höchstleistung, Nervosität und Nahrungseinnahme unter einen Hut gebracht werden müssten. Insofern sollten sich Sportler mentale Techniken aneignen, welche die Gelassenheit fördern und die Nervosität nicht zu gross werden lassen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Darmproblemen?

Grundsätzlich gilt es, individuell die verursachenden Faktoren der Beschwerden herauszufinden. Bei Allergien oder Unverträglichkeiten ist eine Ernährungsumstellung angezeigt, damit die auslösenden Substanzen eliminiert werden können.

Den Artikel mit dem Interview in seiner ganzen Länge finden Sie unter https://www.fitforlife.ch/interview-harzenmoser

Christian Harzenmoser besitzt seit 23 Jahren eine Naturheilpraxis in Niederteufen (www.naturarzt-harzenmoser.ch), wo er regelmässig auch Sportler betreut.

 

 

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