Der Biorhythmus gibt den Takt an

12. Juni 2019

Die Leistungsfähigkeit von Sportlern kann im Laufe eines Tages um bis zu 25 Prozent schwanken, wie verschiedene Untersuchungen zeigten.

 

Das Phänomen ist bekannt: Es gibt die «Lerchen» (Frühaufsteher) unter uns, die zu anderen Tageszeiten Bäume ausreissen können als die «Eulen», die entweder als «Nachtschwärmer» oder «Morgenmuffel» bezeichnet werden. Die beiden unterschiedlichen Typen sagen dabei noch nichts über den jeweiligen Fitness-Zustand aus – der vermeintliche Morgenmuffel kann gesamtkonstitutionell in der gleich guten Form sein wie die fröhliche Lerche – oder sogar besser. Nur rufen beide Typen ihre Leistungen eben zu völlig anderen Tageszeiten ab.

Disziplin nützt nicht immer

Es ist noch nicht so lange her, da war man der Meinung, durch Disziplin und entsprechende Gewöhnungszeiten könne man den Biorhythmus «in eine neue Form» bringen. Sprich: Wer morgens eher schwer aus den Federn kommt, bräuchte sich nur eine Weile lang «zusammenzureissen», um dann irgendwann um 6.30 Uhr frühmorgens beim Frühtraining zusammen mit den Lerchen-Kollegen beschwingt seine Bahnen im Hallenbad zu ziehen. Und ganz offensichtlich war und ist dies vielen «Eulen» auch tatsächlich möglich – der Wille versetzt schliesslich Berge.

Mittlerweile weiss man aber auch, dass die «Eulen» zwar ihren Körper in einen ungeliebten zeitlichen Rhythmus zwingen können, die jeweilige Leistungsfähigkeit sich aber keineswegs dem neuen Rhythmus anpasst. Oder anders formuliert: Lerche bleibt Lerche, Eule bleibt Eule, Disziplin, Selbstbeherrschung und Training hin oder her.

 

Genetik entscheidend

Der Grund: Der Biorhythmus ist genetisch verankert und kann nur in einem schwindend geringen Masse von «aussen» verändert werden. Die innere Uhr ist von Mensch zu Mensch verschieden und offenbar fest in jedem Individuum verankert. Die frühere Annahme, Sportler seien vor allem in den späten Nachmittags- und frühen Abendstunden zu Höchstleistungen fähig, stimmt nur bedingt, nämlich für den Eulen-Typus. Für alle Lerchen verläuft um diese Uhrzeit die Leistungskurve längst steil bergab.

Die britische Biochemikerin Elise Facer-Child und der Deutsche Roland Brandstaetter von der Universität Birmingham ermittelten in einer Studie zunächst den Biorhythmus von Probanden mittels Befragung zum Schlaf- und Aufstehverhalten sowie zu den gefühlten Leistungshöhepunkten im Laufe des Tages. Dabei wurde deutlich, dass – wenig erstaunlich zwar, aber mit den Untersuchungen eben wissenschaftlich untermauert – je nach innerer Uhr deutliche Leistungsunterschiede der einzelnen Typen zu den jeweiligen Tageszeiten auftraten.

Unterschiede bis 26 Prozent

Interessant war dabei die Erkenntnis, dass bei den unterschiedlichen Biorhythmus-Typen auch unterschiedliche Zeitabläufe stattfinden. Früh- und Mitteltypen erreichten rund sechs Stunden nach dem Wecken bzw. Aufstehen ihr physisches Leistungshoch, also mittags bis früher Nachmittag. Die Eulen hingegen waren deutlich später in Bestform – erst elf Stunden nachdem der Wecker klingelte.

Die Eulen zeigten in der "Facer-Child/Brandstaetter-Studie" auch die deutlichsten Leistungsunterschiede innerhalb eines Tages. Bis zu 26 Prozent schwankte die Form zwischen Tief (am Morgen) und Hoch (am Abend). Im Gegensatz dazu brachten es die Lerchen und Mittel-Typen auf Leistungsschwankungen von acht und zehn Prozent im Laufe eines Tages. Frühaufsteher und Mitteltypen (die mit Abstand den grössten Anteil der Probanden ausmachten) sind in ihrer Leistungsfähigkeit über den Tag verteilt somit ausgewogener leistungsfähig.

 

«Eulen» werden kaum Weltmeister

Je nach Wettkampfstart bedeutet dies fatale Perspektiven für einen Eulen-Sportler. Denn die Spätaufsteher unter den Sportlern sind bei zahlreichen Sportarten deutlich benachteiligt. Vor allem lange Ausdauersportwettkämpfe wie Langtriathlons, Ultraläufe oder auch Marathons oder lange Radrennen beginnen in der Regel frühmorgens. Die Eulen sind dabei nicht benachteiligt, weil sie vielleicht den Startschuss verschlafen könnten, sondern eher, weil ihre Leistungshöhepunkte auf ungünstige Zeiträume verteilt sind. Denn gehen wir davon aus, dass die siegeswillige «Eule» um vier oder fünf Uhr aufsteht, kommt sie zu ihrem biorhythmischen Leistungshöhepunkt zwischen 14 und 16 Uhr – gerade noch richtig für den Endspurt oder die Siegerehrung...

Die Erkenntnis daraus für einen Hobbysportler? «Wir müssen von der Tageszeit wegkommen», empfiehlt Brandstaetter, «und mehr auf die inneren Zeitrhythmen achten.» Dabei gehe es eben nicht um die Uhr an der Wand, sondern um die Uhr in uns, ergänzt Facer-Child. Training sei eine Sache, so die Forscherin weiter, aber man müsse eben auch wissen, wann man die beste Leistung abrufen kann! Eine Erkenntnis, die gerade bei der Trainingsqualität eine tragende Rolle spielen könnte. Denn selbst für Frühaufsteher empfiehlt sich so der morgendliche Waldlauf, das ganz frühe Schwimmen oder die «Early-Morning-Bike-Tour» höchstens als «Wachmacher» und fürs Grundlagentraining, jedoch nicht als effiziente Schlüsseleinheit.

Lesetipp: Den vollständigen Artikel zum Biorhythmus im Sport finden Sie unter www.fitforlife.ch

Credit: Trainer Academy