Carboloading als Turbo-Zünder
Das Füllen der Glykogenspeicher zur Verbesserung der Ausdauerleistung wurde als Technik der Sporternährung bereits in den 60-er-Jahren entwickelt. Es wird geschätzt, dass dadurch bei Ausdauerleistungen über 90 Minuten die Leistung um 2–3% verbessert werden kann, was auf den ersten Blick nicht als arg viel erscheint, aber dennoch wesentlich ist und auch davon abhängig ist, wie lange der zu absolvierende Wettkampf ist.
Der Grund für die Leistungssteigerung liegt in der Herauszögerung des Zeitpunktes, in welchem die Glykogenspeicher zur Neige gehen und die Muskeln deshalb verstärkt auf Fettverbrennung umschalten müssen. Dieser gefürchtete Moment, bekannt als plötzlicher Hammermann beispielsweise ab km 30 beim Marathon, hat einen schlagartigen Leistungseinbruch zur Folge und trifft die meisten Läuferinnen und Läufer einmal in ihrem Sportlerleben.
In seiner ursprünglichen Form (Schweden-Diät oder Saltin-Diät genannt) bestand das Carboloading aus zwei Phasen, nämlich einer 3 bis 4 Tage dauernden Entleerungsphase (bei gleichzeitig hoher Fettzufuhr) und einer ebenso lang dauernden Ladephase. So wurde die ganze Vorwettkampfwoche dafür beansprucht. Heute wird aber auf die anstrengende und spezifische Entleerungsphase verzichtet. Die mehrheitlich angewendete, modifizierte Methode beinhaltet eine sehr kohlenhydratreiche Ernährung in den letzten drei bis vier Tagen vor dem Wettkampf bei gleichzeitiger starker Reduktion des Trainings. Das Herunterfahren des Trainings ist ein wichtiger Teil des Carboloadings. Wenn überhaupt, sollte nur ganz locker und kurz trainiert werden, um das gespeicherte Muskelglykogen nicht bereits im Training wieder zu verbrennen. Ebenso muss während des Carboloadings auf eine genügend hohe Flüssigkeitszufuhr geachtet werden.
Durchführbarkeit nicht ganz einfach
Was auf den ersten Blick relativ einfach erscheint, erweist sich in der praktischen Umsetzung als recht schwierig. Denn als Empfehlung für die Kohlenhydratzufuhr in der Wettkampfvorbereitungsphase werden 70% der aufgenommenen Energie in Form von Kohlenhydraten empfohlen. Eine Prozentangabe ist für Sportler aber erstens sehr schwer zu interpretieren und zweitens besteht damit noch längst keine Garantie, die Glykogenspeicher auch wirklich zu füllen.
Besser ist es, absolute Werte in Gramm zu verwenden. Diese beziehen sich auf ein Kilogramm Körpergewicht und Tag. Für ein effizientes Carboloading während 1 bis 4 Tagen werden Werte zwischen 7 und 12 Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und Tag empfohlen. Für einen 70 kg schweren Mann bedeutet dies, dass er rund 500 bis 850 Gramm reine Kohlenhydrate pro Tag einnehmen müsste. Diese Menge entspricht aber etwa 7–10 Tellern Spaghetti, eine Menge, die wohl auch Pasta-Liebhaber kaum schaffen werden! Studien bei Marathonläufern ergaben denn auch, dass die theoretischen Empfehlungen in der Realität recht schwer umzusetzen sind. Auch Läufer, die bewusst ein Carboloading betreiben, erreichen meist nur die Hälfte der empfohlenen 7 Gramm Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht.
Pasta alleine genügt nicht
Was muss man also essen oder trinken, um auf die gewünschte Menge an Kohlenhydraten zu kommen? Viele Sportler kennen und nutzen die klassischen Kohlenhydratquellen wie Pasta, Brot und Reis, allerdings betrachten sie Fruchtsäfte, fettarme Süssigkeiten, Zucker und Honig nicht als ergänzende Lebensmittel und unterschätzen deren Wichtigkeit für ein Carboloading.
Dass beispielsweise ein Liter Cola oder ein anderes kommerzielles Süssgetränk gleich viele Kohlenhydrate wie ein grosser Teller Spaghetti liefert, verdeutlicht diese Tatsache. Der Speiseplan während eines Carboloadings darf und soll daher für einmal explizit Süssgetränke, Fruchtsäfte, Sportgetränke, Toastbrot mit viel Honig und Konfitüre sowie Gummibärli, Biberli und Basler Läckerli oder auch gedörrte Bananen und Feigen enthalten. Während des Carboloadings dürfen für einmal sämtliche Vorbehalte diesen Lebensmitteln gegenüber über Bord geworfen werden, wenn man sie denn verträgt (ein Übermass an Gummibärchen kann auch auf den Magen schlagen…). Mit anderen Worten: Alles, was nicht zu fettig ist, aber viele Kohlenhydrate aufweist, ist goldrichtig. Und keine Angst; der allfällige Kalorienüberschuss wirkt sich in dieser kurzen Zeitspanne nicht negativ aufs Gewicht aus.
Ebenso gilt: Vollkornprodukte, Gemüse, Rohkost und der Salat, welche in der Basisernährung wertvolle Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe liefern, dürfen vor einem Wettkampf für drei Tage guten Gewissens weggelassen werden. Der Grund: Beim Carboloading geht es nicht vorwiegend um gesundheitliche Aspekte, sondern um Leistungsoptimierung. Und durch ihre sättigende Wirkung sorgen Vollkornbrot oder Gemüse dafür, dass man nach einem gemischten Salat und einem Teller Pasta schon satt ist, bevor die nötige Menge an Kohlenhydraten erreicht wird.
Totalmenge entscheidet
Ob die Kohlenhydrate während der drei bis vier Tage des Carboloadings vermehrt in komplexer Form wie Stärke oder in einfacher Form wie in Süssigkeiten und Getränken zugeführt werden, ist weniger entscheidend, Hauptsache ist, dass die geforderte Menge ohne Verdauungsprobleme erreicht werden kann. Dies bedeutet: Essen über den Appetit hinaus! Die Folge davon: Nach einem richtig durchgeführten Carboloading mögen zahlreiche Sportler Teigwaren und süsse Getränke kaum mehr sehen und freuen sich dafür nach dem Wettkampf unbändig auf eine fette Wurst oder salzige Pommes Chips – guten Appetit!