Interview mit Roberto Delorenzi
Foto: Yara Burkhalter
Anfang Juni verpasste der 27-jährige Tessiner an den Berglauf-Europameisterschaften im Uphill als Vierter nur knapp eine Einzelmedaille. Zwei Tage später holte sich der amtierende Berglauf-Schweizermeister den Europameistertitel im "Up & Down"-Berglauf.
Kannst du uns Einblick in deine Erlebnisse und deine Gefühlswelt geben nach deinen erfolgreichen Rennen in Annecy?
Ein Traum ist wahr geworden. Ich habe mich von Anfang an gut gefühlt und nach etwa der Hälfte des Anstiegs hat mich niemand mehr überholt. Ich begann zu spüren, dass der Titel möglich sein könnte. In der Bergabpassage habe ich wirklich alles gegeben und die letzten 5 Minuten waren sehr aufregend. Ich hatte den Deutschen 10 Sekunden hinter mir und viele Leute, die mich anfeuerten. Ich habe wirklich alles gegeben und ich bin super stolz auf das, was ich erreicht habe. Jahrelange harte Arbeit hat zu diesem Resultat geführt und ich bin überglücklich, in den Farben der Schweiz gewonnen zu haben. Es ist immer eine Ehre, in den Farben des eigenen Landes zu laufen.
Was sind deiner Meinung nach ganz allgemein die 3 wichtigsten Punkte, die zum Erfolg führen?
- Konstanz im Training
- Liebe zur Disziplin
- Wille zum Sieg
Wie sieht dein Trainingsalltag in der Vorbereitungsperiode und wie in der Wettkampfperiode aus?
Meine Vorbereitungsperiode ist der Winter, in dem ich abgesehen von ein paar Strassenrennen keine Wettkämpfe bestreite. Meine Wintervorbereitung besteht aus viel Umfang und vielen Kilometern in der Ebene. Ich mache nur sehr wenige Höhenmeter und absolviere immer zwei qualitative Trainingseinheiten pro Woche. In diesem Winter bin ich durchschnittlich 150 km pro Woche gelaufen. In der Wettkampfperiode hingegen mache ich weniger Kilometer, mehr Höhenmeter und auch weniger qualitatives Training, da ich ziemlich viele Rennen habe. Als Ergänzung mache ich auch viel Crosstraining mit dem Rad.
Welches sind deine Tipps für alle jene, die dieses Jahr an einem Berglauf starten möchten?
- Laufe im Training nicht zu schnell bergab
- Mache Stabilitätsübungen
- Stärke deine Fussgelenke
- Zwinge dich nicht, bergauf zu laufen. Manchmal ist es besser zu gehen
Wie trainierst du das Bergablaufen und auf was achtest du im Rennen, wenn es bergab geht?
Ich trainiere das Bergablaufen, indem ich viel bergab laufe, aber nie schnell. In der Vorbereitung habe ich beispielsweise nie ein intensives Bergabtraining gemacht. Dann mache ich eine Menge Gleichgewichts- und Propriozeptionsübungen. Wenn ich bei einem Rennen jemanden vor mir habe, versuche ich, seinen Schritten zu folgen, damit ich nicht zu viel Energie darauf verwenden muss, das Gelände zu lesen. Aber wenn ich alleine unterwegs bin, versuche ich immer, die einfachste Strecke zu finden und so entspannt wie möglich zu laufen.
Gibt es einen Geheimtipp, den du uns verraten kannst?
Es gibt keine Geheimtipps. Man muss sich auf jeden Fall gut vorbereiten und nichts dem Zufall überlassen. Je nach den Merkmalen des Wettkampfes, an dem man teilnimmt, muss man sich entsprechend vorbereiten.
Und wenn man die Möglichkeit hat, das beruflich zu machen, kann man gut zweimal am Tag trainieren und sich den Rest der Zeit erholen. Das ist natürlich ein Vorteil gegenüber jemandem, der 8 Stunden am Tag arbeitet.
Und auch das Material macht einen Unterschied: Bei leichten Bedingungen macht es kaum einen Unterschied, aber bei schwierigen Bedingungen ist es sehr wichtig, die richtigen Schuhe zu haben, die halten.