Körpergewicht als Leistungsfaktor: Weniger ist nicht immer mehr

3. July 2025

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Ob ein Ausdauersportler oder eine Ausdauersportlerin gute Leistungen erbringen kann, ist auch eine Frage des Körperbaus und des Gewichtes. Doch wann bringt ein geringes Körpergewicht mehr Leistung? Und wo liegen die Grenzen?

Wer schon einmal mit einem schweren Rucksack eine Bergwanderung gemacht hat, weiss: Jedes zusätzliche Kilo wird schnell zur spürbaren Belastung. Genau dieser physikalische Effekt wirkt auch im Ausdauersport. Je weniger Gewicht bewegt werden muss, desto effizienter kann der Körper arbeiten, besonders dann, wenn er gegen die Schwerkraft antritt, etwa beim Bergauflaufen oder in der Marathon-Endphase.

Weniger Masse, mehr Effizienz?

Das Prinzip ist einfach: Ein leichterer Körper muss pro Schritt weniger Gewicht anheben, abbremsen und wieder beschleunigen. Besonders in Ausdauersportarten wie dem Marathonlauf, dem Radsport oder dem Berglauf ist ein geringes Körpergewicht daher oft ein Vorteil. Bei den Frauen sind im Langstreckenbereich die Besten meist Leichtgewichte unter 50 Kilo, und auch männliche Topathleten sind leicht und kaum mehr als 60 Kilo schwer – und dies bei gleichzeitig hoher relativer Muskelkraft.

Auch im Breitensport spielt das Körpergewicht eine Rolle: Eine Faustregel besagt, dass ein Kilogramm Gewicht weniger bis zu zwei Minuten Zeitersparnis auf der Marathondistanz bringen kann. Wichtig ist dabei aber: Entscheidend ist im Ausdauersport nicht das Gewicht allein, sondern die Körperzusammensetzung, also der Anteil von Muskelmasse im Verhältnis zur Fettmasse.

Körperfett runter – aber nicht auf Kosten der Muskulatur

Ein gezielter Abbau von überschüssiger Fettmasse kann die Ausdauerleistung zwar verbessern. Doch sobald in der Vorbereitung nicht nur Fett, sondern auch wertvolle Muskelmasse verloren geht, etwa durch zu starkes Kaloriendefizit oder einseitige Ernährung, kann sich dieser Effekt rasch ins Gegenteil umkehren und zu einem massiven und oft langfristigen Leistungseinbruch führen. Denn die Muskelmasse spielt eine zentrale Rolle für Kraft, Laufökonomie und Verletzungsprophylaxe.

Als Athletin oder Athlet profitiert man dann am meisten, wenn man ein ausgewogenes Verhältnis zwischen geringem Körperfettanteil und ausreichend funktioneller Muskelmasse besitzt. Das erfordert Zeit, gezielte Trainingssteuerung und eine sportgerechte Ernährung, die den Energiebedarf deckt, also auf keinen Fall eine Radikaldiät.

REDs: Wenn weniger zu viel wird

Im Extremfall kann ein zu starkes Kaloriendefizit oder ein übertriebenes Streben nach dem vermeintlichen «Idealgewicht» in einen Zustand führen, der im Sport unter dem Begriff REDs bekannt ist (Relative Energy Deficiency in Sport). Dabei steht dem Körper über längere Zeit zu wenig Energie zur Verfügung, mit potenziell gravierenden Folgen für Gesundheit und Leistung.

Typische Symptome von REDs:

  • Zyklusstörungen (bis zur Amenorrhoe bei Frauen)
  • Reduzierte Knochendichte (Osteopenie, Osteoporose)
  • Chronische Müdigkeit, Infektanfälligkeit
  • Leistungseinbrüche, Verletzungsanfälligkeit
  • Psychische Probleme, Reizbarkeit

REDs betrifft alle Geschlechter und tritt besonders häufig in Ausdauer- oder Gewichtsklassen-Sportarten auf. Besonders tückisch: Die Leistung kann zunächst durch das tiefere Gewicht ansteigen, bis der Körper in eine Mangelversorgung kippt. Dann beginnt oft ein Teufelskreis aus Energiemangel, mentalem Druck und Frustration, aus dem die Betroffenen meist nur sehr schwer wieder herauskommen.

BMI ist nur ein grober Richtwert

Häufig wird zur Einordnung des Körpergewichts im Verhältnis zur Grösse der Body-Mass-Index (BMI) verwendet. Für sportliche Leistungsaussagen ist der BMI allerdings nur begrenzt aussagekräftig, denn er unterscheidet nicht zwischen Muskel- und Fettmasse. Ausdauerathleten oder -athletinnen mit einem BMI von 19 können sehr leistungsfähig sein, wenn der Anteil an Muskelmasse hoch und der Körperfettanteil niedrig ist. Bei Sprinterinnen und Sprintern liegt der BMI oft bei 22 oder höher wegen der deutlich ausgeprägteren Muskulatur.

Die Balance macht’s

In der Praxis zeigt sich: Langfristig leistungsfähige Athletinnen und Athleten im Ausdauersport pendeln sich häufig bei einem BMI von etwa 19–20 ein, mit individuell unterschiedlicher Verteilung von Fett- und Muskelmasse. Viel wichtiger als ein idealer «Ziel-BMI» ist aber die Balance zwischen Energiezufuhr, Trainingsbelastung und Regeneration.

Wer bereits sehr leicht und gut austrainiert ist, riskiert durch weitere Gewichtsreduktion oft mehr, als er oder sie gewinnt. Die Leistungsfähigkeit steigt nicht unbegrenzt mit jedem verlorenen Kilo. Irgendwann drohen Kraftverlust, Infektanfälligkeit oder sogar Burnout. Vor allem junge Athletinnen und Athleten, die noch wachsen oder sich im hormonellen Umbruch befinden, sollten besonders wachsam sein.

Fazit: Schlank ist gut – stark und gesund ist besser

Ein schlanker, leichter Körper kann die Leistung im Ausdauersport fördern, wenn er stark, gut genährt und ausbalanciert ist. Die beste Laufzeit erreicht aber nicht, wer am wenigsten wiegt, sondern wer mit Energie, Effizienz und Stabilität unterwegs ist.

Deshalb sollte die Körpergewichtsfrage nie isoliert betrachtet werden. Entscheidend ist das Zusammenspiel vieler Komponenten: Sauerstoffaufnahme, Muskulatur, mentale Stärke, Koordination, Ernährung und Regeneration. Und nicht zuletzt: eine gute Portion Körpergefühl und Selbstfürsorge.