Interview mit Maja Neuenschwander
Vor dreieinhalb Jahren hat Maja Neuenschwanders Karriere ihren vorläufigen Höhepunkt erlebt. Im Rahmen des Berlin Marathons hat sie Franziska Rochat Moser den Schweizer Rekord entrissen. Mit Trainingsfleiss und Kontinuität schaffte sie etwas, was ihr niemand zugetraut hätte. Danach geriet ihre Karriere jedoch ins Stocken. Nun soll es wieder aufwärts gehen.
Der Grat ist schmal und plötzlich geht es nicht mehr um Wochenkilometer und regenerative Massnahmen, sondern um Arzttermine und alternative Trainingsformen. Kannst du uns erzählen, was nach dem Hoch passiert ist und was dich nun schlussendlich wieder auf die Erfolgsstrasse zurückbringt?
Zwar konnte ich in den beiden letzten Jahren keinen Marathon «finishen», die Gründe dafür waren aber jeweils ganz unterschiedlich. 2017 konnte ich meine gut 3 Monate dauernde Vorbereitungsphase jeweils ohne grössere Schwierigkeiten absolvieren, in den Rennen in London (Frühling) und Berlin (Herbst) wurde ich dann aber «ausgebremst». Einmal mit sehr starken Muskelschmerzen, einmal mit einer Zerrung. 2018 startete ich mit einer Bestzeit im Halbmarathon erfolgreich ins Jahr. Die Vorbereitungsphase für die EM in Berlin musste ich dann aber wegen eines Ermüdungsbruchs im Schambein abbrechen.
Als Folge davon machte ich eine längere «Sportpause», damit sich Körper und Geist einmal «richtig» erholen konnten. Während dieser Zeit arbeitete ich aber intensiv an meinen muskulären Defiziten und versuchte Dysbalancen, die sich in den letzten Jahren «eingeschlichen» haben, zu beseitigen. Auch ordnete ich mein Sportler-Umfeld neu und arbeite seither wieder in einem 50% Pensum bei Swiss Olympic.
Ganz unterschiedliche Ansätze also, dich ich verfolgte - entsprechend schwierig ist es zu benennen, welche Massnahmen denn nun «geholfen» haben, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Ein Learning dabei ist sicher, dass mein Körper nach mehr als 10 Jahren Spitzensport eine längere Pause einforderte, dich ich ihm nicht bereit war zu geben.
Derzeit bereitest du dich gerade in Iten, im Land der Läufer, auf deine Ziele vor. Iten bezeichnest du gerne als deinen «Kraftort». Was macht diesen Ort und das Trainieren dort so speziell für dich?
Seit ich 2014 das erste Mal in Kenia war, fühle ich mich hier sehr wohl. Das ganze «Setting» inspiriert und motiviert mich extrem, gleichzeitig finde ich hier Ruhe und Gelassenheit, die es mir ermöglichen, meinen Fokus komplett aufs Laufen zu richten. Ich kenne keinen anderen Ort, wo so viele Leute an ihren persönlichen Laufträumen arbeiten, und wo ich als Läuferin entsprechend respektiert werde. Aber ich muss auch einräumen, dass ich es mir nicht vorstellen könnte, eine längere Zeit hier zu leben.
Welche Anpassungen hast du in deinem Training vorgenommen, um wieder an die früheren Rekorde anzuknüpfen?
Die grösste Anpassung ist sicher, dass ich aktuell nicht mehr gegen 230-240km pro Woche laufe. Hier in Kenia war die intensivste Woche zwischen 210-220km. Ich baue also aktuell bewusst einen halben Tag mehr Regeneration ohne Laufen ein als noch vor 2 Jahren. Auch das Krafttraining haben wir geändert, das ist aber sicher weniger bedeutend als die Anpassung des Lauftrainings.
Viele Läuferinnen und Läufer werden dieses Jahr wie du an einem Marathon starten. Kannst du ihnen je 3 Tipps für die Vorbereitung und das Rennen geben?
Meine Tipps für die Vorbereitung:
- Trainiere clever und gezielt: Marathontraining ist eine «Gratwanderung» zwischen zu viel und zu wenig. Entsprechend gilt es in der Vorbereitung von der Quantität zur Qualität zu wechseln, je näher der Marathon rückt. in den letzten Wochen wird also sehr intensiv oder aber regenerativ trainiert.
- Streue Long Runs wöchentlich in dein Training ein: 22-40km schneller als extensiver Dauerlauf.
- Periodisierung: Leg ein solides Fundament, achte auf den nötigen Umfang und trainiere spezifisch für den Marathon. Streue bewusst nach 2-3 Trainingswochen eine Erholungswoche ein, damit der Körper Zeit hat, sich wieder zu erholen und das Training «wirken» zu lassen.
Meine Tipps für das Rennen:
- Ein Marathon ist immer ein Wettkampf mit dir selbst (nicht gegen andere).
- Vieles ist für einen Marathon planbar - aber nicht alles! Sei bereit für die Überraschungen und lass dich dabei nicht verunsichern.
- Lass dich von den Zuschauern «tragen», geniesse es!
Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preisgeben kannst?
Stell dir eine Belohnung in Aussicht! Marathontraining ist oft hart und bringt dich mental aber auch körperlich an deine Grenzen. Damit mein Körper&Geist dies mitmachen, stelle ich ihnen eine Belohnung bei erfolgreich absolviertem Rennen in Aussicht. Das ist dann wie die berühmte «Wurst», die ich in den intensiven Phasen jeweils vor Augen habe und nach der Ziellinie oder in den nächsten Tagen dann «geniesse».
Foto: ZVG
Wir danken Maja Neuenschwander für die spannenden Antworten.
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