Magnesium und Muskelkrämpfe

Paolo Colombani 29. März 2018

Die Herstellung und der Verkauf von Lebensmitteln sind streng geregelt. Es ist auch genau vorgeschrieben, welche Angabe für jedes Vitamin und jeden Mineralstoff erlaubt ist. Beim Magnesium darf man zum Beispiel sagen, es unterstützt die normale Muskelfunktion. Hinweise in Bezug auf Krämpfe sind hingegen nicht erlaubt. Weshalb nicht?

Magnesium ist an rund 300 Stoffwechselvorgängen beteiligt. Zusammen mit diversen andere Mineralstoffen und Vitaminen ist es auch für die normale Muskeltätigkeit unerlässlich. In Europa und in der Schweiz darf man diesen Zusammenhang sogar in der Werbung zum Verkauf von Lebensmitteln und Nahrungsergänzungen erwähnen. Dass Magnesium auch bei Muskelkrämpfen helfen soll, ist aufgrund seiner Wirkung im Muskelstoffwechsel also ein naheliegender Gedanke. Ein Gedanke, der heute fest in den Köpfen verankert ist.

Interessanterweise werden andere Nährstoffe, die ebenfalls für die normale Muskelfunktion notwendig sind (z.B. Calcium, Kalium oder Vitamin D), kaum in den Zusammenhang mit Krämpfen gebracht. Dies hängt mit grosser Wahrscheinlichkeit mit einer Tennisspielerin zusammen.

Die Tennisspielerin

Vor 35 Jahren wurde in einem ganz kleinen wissenschaftlichen Bericht der Fall einer jungen Tennisspielerin beschrieben, die in einem Tenniscenter arbeitete. Sie war täglich 6 bis 10 Stunden auf dem Platz, schwamm regelmässig und nahm auch Sonnenbäder. Sie hatte auch regelmässig Muskelkrämpfe. Der einzige auffällige Befund bei einer Untersuchung im Spital war ein etwas tiefer Magnesiumgehalt im Blut. Der Arzt verschrieb ihr Magnesium und die Krämpfe verschwanden. Dies ist die klassische Situation, in der man nicht genau wissen kann, weshalb sich die Krämpfe verabschiedet haben. Es ist durchaus möglich, dass die Supplementierung mit Magnesium wirksam war. Aber auch denkbar, dass es sich um eine Placebo Wirkung handelte. Jedenfalls wird seither bei Krämpfen Magnesium eingesetzt.

Krämpfe: Der aktuelle Wissensstand

Nach weiteren wissenschaftlichen Publikationen über einen positiven Effekt von Magnesium Supplementen bei Sportler/innen mit Krämpfen sucht man aber vergebens. Selbst zu Magnesium und Krämpfen im Allgemeinen gibt es nur wenig Forschung. Hier zeigt die jüngste Zusammenfassung aller sauber durchgeführten Studien, dass bei einer Supplementierung mit Magnesium bei Erwachsenen, die Krämpfe haben, es nicht zu einer nennenswerten Vermeidung der Krämpfe kommt.

Bei Krämpfen diskutiert man heute diverse mögliche Ursachen. Die Überbelastung der Muskulatur, Kälte, ein erhöhter Flüssigkeitsverlust (die Tennisspielerin war praktisch den ganzen Tag an der Sonne körperlich aktiv …) oder das zentrale Nervensystems könnten alle ein Grund für das Entstehen von belastungsbedingten Krämpfen sein. Aber eigentlich kennen wir die genaue Ursache dieser Krämpfe noch nicht und daher darf man in der Werbung auch nicht behaupten, dass Magnesium bei Krämpfen hilft. 

Magnesium Supplemente: Mögliche Nebenwirkungen

Wer bei belastungsbedingten Krämpfen einen Versuch mit Magnesium starten will, sollte die möglichen Nachteile einer solchen Supplementierung kennen. Der erste generelle Punkt ist: Eine chronische Einnahme von Magnesium – oder jedes anderen Mineralstoffs oder Vitamins – ist über Supplemente generell nicht empfehlenswert. Beim Magnesium gilt zudem ein Grenzwert von lediglich 250 mg Magnesium pro Tag, der nicht überschritten werden soll. Denn bei höher dosierten Supplementen besteht die Gefahr von Durchfall oder dass die Aufnahme von Zink oder Eisen gesenkt wird. Der Grenzwert von 250 mg pro Tag gilt im Übrigen nur für Magnesium, das über Supplemente oder angereicherte Lebensmittel eingenommen wird und nicht für natürlicherweise in den Lebensmitteln vorhandenes Magnesium. 

 

Magnesiummangel

Ein echter Mangel an Magnesium mit entsprechenden Symptomen ist selten. Auch ein milder Mangel wurde lange Zeit als nicht häufig eingestuft. In jüngster Zeit hat sich aber diese Beurteilung geändert und die Häufigkeit eines leichten Mangels ohne klar sichtbare Symptome wird auf 10-20 % der erwachsenen Bevölkerung geschätzt. Dies bedeutet aber nicht, dass alle zu Nahrungsergänzungen greifen sollen. Denn bei einer abwechslungsreichen Lebensmittelauswahl ist wie bei allen anderen Nährstoffen auch eine ausreichende Zufuhr an Magnesium sichergestellt. 

Zusammengefasst für die Praxis

  • Der Zusammenhang zwischen der Einnahme von Magnesium Supplementen und dem Verhindern von belastungsbedingten Muskelrämpfen ist nicht belegt – aber auch nicht ausgeschlossen
  • Bei mehr als 250 mg Magnesium pro Tag als Supplement können Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden
  • Wer bei Krämpfen Magnesium testen will, sollte besser zu Präparaten greifen, die weniger als 250 mg Magnesium pro Tag liefern
  • Ein schwerer Mangel an Magnesium ist selten, ein leichter bei 10-20 % der Erwachsenen geschätzt. Mit einer abwechslungsreichen Ernährung ist eine ausreichende Zufuhr an Magnesium sichergestellt
  • Wer einen nachgewiesenen Mangel hat, sollte mit seinem Arzt oder seiner Ärztin die Dauer einer Supplementierung besprechen
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