Wie pflegt man seine Faszien?

1. November 2017

 

Was sind Faszien?

Genaugenommen gibt es nicht die Faszien in der Mehrzahl, sondern nur DIE FASZIE. Als Faszie bezeichnet wird die faserige und kollagenhaltige Bindegewebsstruktur, die unseren Körper durchzieht. Dieses Spannungsnetzwerk besteht nicht nur aus den Muskelhüllen, sondern dazu gehören auch Sehnen, Bänder, Gelenk- und Organkapseln. Die Faszie umgibt somit jeden Muskel und jedes Organ, sie funktioniert als untrennbare Einheit, hält den Körper zusammen und verleiht ihm Stabilität, aber gleichzeitig auch Flexibilität. 

Wieso ist die Faszie derart im Trend?

Das Bindegewebe kennt man schon lange, vor 30 Jahren aber hiess das noch wenig attraktiv Bindegewebsforschung. Faszienforschung tönt da schon weitaus spannender und geheimnisvoller. Die heutigen Erkenntnisse sind aber häufig nicht neu, sondern sie gingen im Laufe der Zeit vergessen und werden jetzt wieder vermehrt thematisiert, nicht zuletzt auch darum, weil die Industrie mit Faszientraining und Faszien-Accessoires etwas Neues verkaufen kann.

Welche Erkenntnisse sind neu?

Früher war man sich der Wichtigkeit dieses Netzwerks in Fachkreisen zwar bewusst, wusste aber nicht, wie es funktioniert. Das ist auch heute nicht restlos geklärt, aber durch moderne Messmethoden hat man einzelne neue Erkenntnisse gewonnen. So weiss man heute, dass die Mechanik des Bewegungsapparates durch die Vernetzung der Faszie über weitaus mehr Gelenke hinweg beeinflusst wird als bisher angenommen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass dauerhafte Verspannungen nicht einfach auf muskulären Problemen beruhen, sondern auch mit der Faszie zu tun haben können.

Wann funktioniert die Faszie am besten?

Die Faszie braucht vielseitige Bewegungen in möglichst vielen Bewegungsebenen und in alle Richtungen. Sonst droht die Gefahr, dass die einzelnen Schichten, aus denen die Faszie besteht, miteinander verkleben und dadurch Elastizität und Beweglichkeit abnehmen. Je grösser die Bewegungsvielfalt, desto geschmeidiger funktioniert die Faszie. Und je monotoner der Bewegungsalltag, desto grösser ist die Gefahr, dass die Faszie ihre komplexe Funktion nicht mehr reibungslos ausüben kann. Die Bewegungsarmut unserer modernen Zeit hat sicherlich auch dazu geführt, dass vermehrt Beschwerden auftreten, die auf eine mangelhaft funktionierende Faszie zurückzuführen sind. 

Welche Sportarten „pflegen“ die Faszie?

Turnen, Laufen, Werfen, Springen, Spielen – komplexe Bewegungsabläufe, die sich wie erwähnt in vielen Bewegungsebenen abspielen. All das, was man früher (und auch heute noch) im Turnverein gemacht hat, nur dass heute weit weniger Menschen in einem Turnverein sind. Ausdauersportler sind einseitiger unterwegs, da sie auf monotone, gleichmässige Bewegungsabläufe konditioniert sind, die sie stundenlang ausführen. Das alleine wäre kein Problem, denn Ausdauersport hat viele positive und sehr wünschenswerte Auswirkungen. Ausdauersport sollte aber ergänzt werden mit anderen Sportarten, denn wenn man sich nicht immer wieder neuen Bewegungsaufgaben stellt, fehlt die Vielfalt. Jeder sollte sich mal fragen: Wann habe ich das letzte Mal einen Purzelbaum oder Hampelmann gemacht, mich an einem Reck hochgezogen, an Ringen geschwungen oder vom 1-m-Brett einen Kopfsprung gemacht? Wer neue Ideen sucht, kann auch auf einen Kinderspielplatz gehen und schauen, was die Kinder alles machen. Kinder entdecken spielerisch immer wieder etwas Neues. Ihnen käme es nicht in den Sinn, 30 Minuten im Kreis herumzurennen. 

Welches Faszientraining wird in Fitnesscentern angeboten?

Der Fitness-Industrie muss man zugutehalten, dass sie erkannt hat, dass vielen Menschen ein vielfältiges Bewegungsmuster fehlt. Sie hat daher nicht einfach nur nach immer neuen Bewegungsformen gesucht, sondern ganzheitliche Trainingsformen zusammengestellt wie Functional Fitness, Crossfit oder Bootcamps. Die Inhalte solcher Trainingsformen sind zwar nicht neu, aber durch die rapide Technisierung des Alltags ist die Berechtigung solcher Angebote durchaus vorhanden. Es werden damit ungewohnte Bewegungsmuster geübt und Muskelgruppen angesprochen, die sonst zu kurz kommen. 

 

Könnte man auch Zuhause ein Faszientraining ausführen?

Ja klar, jeder kann Zuhause ein vielfältiges Übungsprogramm ausführen, wenn er sich ein bisschen damit auseinandersetzt. Oder wieder mal auf den Vita-Parcours gehen, wo kreative Übungsvorschläge einfach nachgemacht werden können. Aber viele Menschen brauchen die Motivation einer Gruppe oder die Anleitung durch einen Fitnesstrainer, um sich vielfältig zu bewegen bzw. Dinge zu machen, die nicht immer mit Lust verbunden sind. 

Was bringen Acessoires wie Faszienrollen oder -kugeln?

Früher ist man mit Rücken und Beinen über Walhölzer gerollt und hat Tennis- oder Golfbälle für den gleichen Zweck in Socken gesteckt, heute werden fixfertige Faszienprodukte aus Kunststoff in Rollen- oder Kugelform angeboten. Selbstmassage fördert die Körperwahrnehmung und Regeneration, das ist grundsätzlich positiv. Durch die Massage mit der Rolle wird zudem der Gewebewasseraustausch gefördert. Gerade auch läufertypische Verspannungen und Triggerpunkte können durch Faszienrollen oder –kugeln regelmässig selbständig behandelt werden, wenn man sie regelmässig und gezielt anwendet. An die Schmerzen durch den Druck gewöhnt man sich mit der Zeit und kaputt machen kann man nichts. Je nach Schmerzempfinden sind etwas weichere Rollen zu bevorzugen, die nach einiger Zeit dann sukzessive durch härtere Varianten ersetzt werden können.

 
 

 

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