Runners Flow – laufend im Einklang
Runners Flow? In seinem neuen Buch „Medical Running“ beschreibt Spiraldynamik-Gründer Christian Larsen das Runners Flow als die erstrebenswertere und sanftere Alternative zum Runners High.
Das Runners High ist den meisten Läufern ein Begriff – entweder aus eigener Erfahrung oder dann zumindest aus Erzählungen. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass bei langen und anstrengenden Läufen die körpereigene Chemiefabrik im Gehirn über mächtige Schmerzmittel verfügt, welche einen die Schmerzen beim Laufen vergessen lassen. Körpereigene, morphinähnliche Schmerzmittel werden wie bei einer Pumpe gleichmässig und bedarfsgerecht ins Blut abgegeben. Diese Endorphin-Produktion kann für einen Rausch von überirdischer Glücksseligkeit sorgen – das Runners High. Ekstatisch – keine Frage, doch meist nur mit grossem Aufwand zu erreichen und nicht unbedingt gesund.
Alles im Fluss
Die Alternative lautet Runners Flow – «im Fluss sein». Flow ist ein Zustand vollständiger mentaler Vertiefung. Flow kann durch sportliche Betätigung oder rein geistige Aktivität oder ein Kombination von beidem erreicht werden. Im Flow-Zustand arbeitet das Gehirn anders als normal: Die Hirnwellen verlangsamen sich – von der normalen Beta-Aktivität zu den langsameren Alphawellen. Alphawellen gehen mit Meditation und kreativem Tagträumen einher. Manchmal werden die Hirnwellen noch langsamer, bis hinunter zu den Thetawellen, wie sie unmittelbar vor dem Einschlafen und im Traumschlaf auftauchen. Thetawellen erlauben den Zugang zu erweiterten Bewusstseinszuständen ausserhalb des gewöhnlichen Alltagsbewusstseins.
Zudem werden bestimmte Areale des Gehirns ruhig gestellt und andere aktiviert. Jene Areale, die auf Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstkritik spezialisiert sind, werden ausgeknipst. Endlich Ruhe im Kopf! Dafür werden andere Areale eingeschaltet, die mit Kreativität zu tun haben.
Flow-Training ist kein Leistungstraining
Die Neurochemie des Flows unterscheidet sich vom Runners High. Dort wird das Hochgefühl vor allem durch Endorphine ausgelöst. Runners Flow-Zustände hingegen werden durch einen fein austarierten Mix aus verschiedenen Botenstoffen im Gehirn herbeigeführt.
Flow-Training ist kein Leistungstraining. Zielsetzung und Methodik unterscheiden sich. Beim Leistungstraining hat man die Superkompensation und die Leistungssteigerung im Auge – entsprechend intensiv, variabel und gut strukturiert müssen die Trainingsreize und die anschliessenden Regenerationspausen gesetzt werden. Beim Flow-Training hingegen liegt der Super-Mind im Visier. Der Fokus liegt nicht auf der gesteigerten Leistung, sondern auf dem erweiterten Bewusstsein!
Flow ist eine tolle Sache. Da stellt sich die Frage, wie wir beim Laufen in einen Flow-Zustand kommen können. Das Runners Flow zeichnet sich durch 5 Hauptmerkmale aus:
1. Spiralbewegung und Wellenrhythmus
Der menschliche Körper ist ein Geniestreich – ein Bio-High-Tech-Instrument. Was auf den ersten Blick als scharnierartige Beuge-Streck-Laufmaschine auf zwei Beinen erscheint, ist in Wirklichkeit ein Meisterwerk der Evolutionsbiologie: Beim Zusammenspiel von Atem und Bewegung treffen Kreuzgang-Koordination der Bewegung und Wellenrhythmik der Atmung aufeinander. Flow-Training nimmt dich mit auf eine spannende Entdeckungsreise in den eigenen Körper, zu dessen Urbewegung, dem leichtfüssigen Laufen.
2. Upbeat und Faszientraining
In der Musik werden Auftakt und Haupttakt unterschieden: «und… eins» – das «und» ist der Auftakt, die «eins» der Haupttakt. Im Englischen wird die Bedeutung des Takts im «Beat» noch «deutlicher: «Upbeat» und «Downbeat». Die entscheidende Frage zu deinem Laufstil lautet: Läufst du «Upbeat» oder «Downbeat»? Der Downbeat-Laufstil betont die Landung, die Schwere nach unten, er geht mit der Schwerkraft. Der Upbeat-Laufstil betont das Abstossen, die Leichtigkeit, das Einleiten der Flugphase.
3. Atmung
Schon im alten Indien wussten die Yogis des Himalayas vom Nutzen einer sparsamen Atmung. Versunken in tiefer Meditation verlangsamten sie die Atmung auf 1-2 Atemzüge pro Minute – was im Blut den Sauerstoffgehalt erniedrigt und den Kohlensäurespiegel ansteigen lässt. Der Anstieg des CO2 im Blut wurde bewusst und systematisch für die Herbeiführung erweiterter Bewusstseinszustände eingesetzt. Beim Joggen ist es ähnlich. Die Kunst besteht darin, mit möglichst wenig Luft gut auszukommen.
4. Synchronisation von Atem und Bewegung
Das Runners Flow entsteht durch Synchronisation. Bewegung, Atmung, Pulsschlag müssen rhythmisiert sein. Sie müssen harmonisch miteinander und nicht disharmonisch gegeneinander schlagen und schwingen. Zur Illustration: Du joggst mit einer flotten Kadenz von 160 Schritten pro Minute, dein Herz schlägt im gleichen Rhythmus, dein Atem ist viermal langsamer und deine Hirnwellen viermal schneller – und schon ist alles perfekt synchronisiert.
5. Gedanken und Gefühle ausrichten
Gefühle sind – neben der Synchronisation der Körperrhythmen – die vielleicht wichtigsten Zutaten zum Flow-Erlebnis. Flow bedingt positive Gefühle. Umgekehrt gilt: Negative Gefühle schicken Flow-Bemühungen sang- und klanglos bachab. Am besten sorgst du also dafür, dass du zum Lauftraining eine positive Grundstimmung mitbringst. Beim Regenerationslauf im Runners Flow entspannst du dein Bewusstsein, du lässt es zu, innerlich ruhig zu werden, und geh ruhig auch mal in die Stille. Deine Hirnwellen werden es dir danken.
*Der vorliegende Artikel von Christian Larsen ist eine stark gekürzte Fassung des Kapitels Flow aus seinem neuen Buch «Medical Running».
Ein ausführlicher Artikel zum Thema Runners Flow samt konkreten Übungs- und Meditationsbeispielen zu den fünf wichtigen Runners-Flow-Punkten findest du im aktuellen FIT for LIFE, jetzt am Kiosk erhältlich. Das pdf des FIT for LIFE-Artikels findest du hier.
Foto:iStock.com
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