So «trainierst» du deinen Magen

Joëlle Flück 4. February 2025

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Kohlenhydrat- oder Sportgetränke sind im Ausdauersport essenziell, um über längere Zeit intensive Leistungen aufrechterhalten zu können. Die besten Tipps, wie man seinen Magen-Darm-Trakt bezüglich optimaler Aufnahme trainieren kann.

Zuerst etwas Theorie: Die Kohlenhydrate werden im Darm über spezielle Kohlenhydrattransporter aufgenommen. Dafür müssen zwei- oder mehrkettige Kohlenhydrate zuerst durch Enzyme gespalten werden, um danach als Einzelteilchen wie Glukose, Fruktose oder Galaktose vom Körper aufgenommen zu werden. Dabei werden zwei verschiedene Transporter unterschieden: 

  • Einer, der Glukose und Galaktose transportiert… 
  • …sowie ein anderer, der Fruktose transportiert

Die Aufnahmekapazität der Glukosetransporter ist auf rund 66 Gramm pro Belastungsstunde limitiert. Möchte man während einer intensiven Belastung oder im Wettkampf mehr als 60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde einnehmen, so muss man daher zwingend auch Fruktose zuführen. 

Man kann sich das wie zwei Tunnelsysteme vorstellen: Führt man mehr als 66 Gramm Glukose pro Stunde zu, kommt es vor dem einen Tunnel zu einem Stau. Um eine grössere Menge transportieren zu können, muss man den «Fruktosetunnel» verwenden und so den Stau «umfahren». 

Flüssigkeitsaufnahme vorwiegend «passiv» 

Flüssigkeit, also Wasser, wird nicht aktiv ins Zellinnere gebracht, sondern diffundiert «passiv» durch die Zellwand. Dabei ist der osmotische Druck bzw. die Osmolalität, also die Anzahl aktiver Teilchen in der Flüssigkeit entscheidend. Liegt diese unterhalb der Osmolalität der Körperflüssigkeit (z.B. des Blutes), so nennt man ein Sportgetränk hypoton. Ist die Osmolalität identisch mit derjenigen des Blutes, spricht man von einem isotonen Getränk.

Die Flüssigkeit, also das Wasser, kann einfacher in den Körper gelangen, wenn ein Getränk hypoton ist. Allerdings ist es relativ schwierig, ein Sportgetränk mit hoher Kohlenhydratmenge und tiefer Osmolalität herzustellen. Aus diesem Grund sind viele Sportgetränke 6%-Kohlenhydratlösungen, enthalten also 60 Gramm Kohlenhydrate pro Liter Flüssigkeit. So wird ein hypotoner Zustand gewährleistet. Wird die Menge an Kohlenhydraten erhöht, wird es zunehmend schwierig, das Getränk hypoton oder isoton zu halten, weil die Anzahl aktiver Teilchen im Wasser ansteigt. Das heisst, die Osmolalität steigt an und das Getränk wird zunehmend isoton oder gar hyperton.

Mittlerweile sind aber Sportgetränke auf dem Markt zu finden, die eine 8%-Kohlenhydratlösung vorweisen und trotzdem eine niedrige Osmolalität besitzen. Um die Anzahl aktiver Teilchen nicht übermässig ansteigen zu lassen, werden vermehrt langkettige und verzweigte Kohlenhydrate oder Stärkequellen eingesetzt. Auch das Weglassen von zusätzlichen Stoffen (u.a. Vitamine, Aromastoffe usw.) kann helfen, die Osmolalität trotz hohem Kohlenhydratgehalt tief zu halten. Aus der praktischen Erfahrung sind solche Getränke sehr gut verträglich, dennoch muss individuell ausgetestet werden, welches Getränk für einen persönlich am besten passt. 

Aufnahme im Training üben

Entscheidend für die Zufuhr von grossen Mengen an Kohlenhydraten während einer Belastung – beispielsweise 90 Gramm pro Stunde – ist aber nicht nur das Getränk, sondern auch das Training und die Aufnahme der Kohlenhydrate. Wer im Training nie Kohlenhydrate zuführt oder jeweils nur geringe Mengen, muss sich nicht wundern, wenn im Wettkampf bei grösseren Mengen Probleme auftauchen. 

Wie kann man vorgehen? Zum einen kann man die Magenentleerungsrate trainieren. Das funktioniert primär über das zugeführte Volumen. Bereits innerhalb weniger Tage kann die Entleerungsrate erhöht werden. Das heisst, mehr Volumen gelangt schneller vom Magen in den Darm. Das kann auch bestehende Magenprobleme verringern – wenn eben trainiert. Konkret bedeutet das, dass man im Training schrittweise das Flüssigkeitsvolumen – also die Trinkmenge – erhöht. Speziell bei heissen Temperaturen kann dies entscheidend sein!

Ein weiterer Punkt betrifft die Trainierbarkeit der Kohlenhydrataufnahme im Darm. Die Aufnahmekapazität wird durch eine Erhöhung der Anzahl und der Aktivität der Kohlenhydratkanäle über längere Zeit verbessert. Dafür müssen im Training aber auch grössere Mengen Kohlenhydrate zugeführt werden. Schlussendlich sollte dies mindestens die gleiche Menge (oder gar ein bisschen mehr) sein wie später im Wettkampf gewünscht. Auch die Belastungsintensität ist ein wichtiges Puzzlestück. Es gilt: Je höher die Belastung, desto schwieriger die Aufnahme und Verdauung der zugeführten Mengen. Es lohnt sich daher, die Wettkampfverpflegung auch bei erhöhter Intensität zu trainieren. 

Fazit

Wer im Training selten bis nie Kohlenhydrate verwendet und die Kohlenhydrataufnahme im Wettkampf verbessern will, dem sei geraten, dies im Training zu trainieren. Es lohnt sich, mit geringen Mengen zu starten und sich schrittweise an die Zielmenge heranzutasten. Dadurch können Magen-Darm-Probleme bei intensiven Belastungen vermindert oder gar verhindert werden. Dabei ist die richtige Wahl des Sportgetränkes, das korrekte Mischverhältnis wie auch die individuelle Verträglichkeit entscheidend für das Gelingen. 

Joëlle Flück (Jg. 1986) ist Sport- und Bewegungswissenschafterin, Ernährungsexpertin und Präsidentin der Swiss Sports Nutrition Society (SSNS), der Fachgesellschaft für Sporternährung in der Schweiz. Die begeisterte Läuferin hat eine Marathonbestzeit von 2:44:07 h, gelaufen beim Zürich Marathon 2024.