Trailrunning im Höhenflug

28. Juni 2023

Fotos: ©Egelmair Photography / Zenit

Wenn sich Industrie und Tourismus hinter einen Sport-Trend klemmen, wird daraus nicht selten eine etablierte Sportart. Genau das soll nun mit dem Trailrunning geschehen. Mit 32-seitigem Trailrunning-Dossier zum Herunterladen.

 

Trailrunning ist in aller Munde und es vergeht als Sportredaktion kaum ein Tag, wo nicht eine Outdoorfirma entweder ihre neue Trailrunningkollektion anpreist oder als bisheriger Bekleidungsspezialist ihren Schuheinstieg in die Sparte Trailrunning bekanntgibt. Der Markt ist auf den Trail eingespurt – und scheint grenzenlos.

Fast die halbe Schweiz joggt

Tatsächlich befindet sich der Laufsport allgemein in der Schweiz im Hoch, wie die Zahlen einer GfK-Umfrage zeigen, die während der Pandemie von der «Swisspo – Fachstelle Sportartikel Schweiz» in Auftrag gegeben wurde und 2022 erschienen ist. Die repräsentative Umfrage belegt, dass 48 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer joggen. Überraschend: Der Anteil der Personen, die täglich joggen gehen, hat sich in den letzten drei Jahren vervierfacht. Für viele steht dabei aber nicht der Leistungsaspekt im Vordergrund, sondern der Gesundheits- und Fitnessgedanke.

Laufen ist simpel, effizient – und tut gut. Rennen kann man überall und jederzeit, es braucht kaum Infrastruktur und nur minimale Ausrüstung, kleine Wege und Pfade finden sich immer, egal, ob im Flachland oder in den Bergen. Diese Unabhängigkeit nimmt die Sparte Trailrunning perfekt auf. Zudem verkörpert Trailrunning den (neuen) Zeitgeist der Naturnähe optimal. Kein anderer Sport ist so naturverbunden und wirkt derart ganzheitlich auf Körper und Geist.

 

Auch medial ist die «neue Sportart» angekommen. Zeitungen, Zeitschriften und Online-Portale versteigen sich in Lobpreisungen, was Trailrunning gesundheitlich alles bewirken kann, und als weiterer potenter Player interessieren sich immer mehr Tourismusregionen mit speziellen Tourenvorschlägen und Kartenmaterial brennend für die neue Zielgruppe. FIT for LIFE hat jüngst ein Dossier produziert, welches das Trailrunning im Kanton Graubünden thematisiert, das Dossier kann hier gelesen und heruntergeladen werden.

Berechtigte Euphorie

Die Euphorie ist gerechtfertigt. Trailrunning ist eine äusserst vielseitige Sportart, die Infrastruktur in der Schweiz mit dem dichten Wanderwegnetz fantastisch und bereits überall vorhanden, und das Konfliktpotenzial mit anderen Sportlern ist verschwindend klein.

Zuerst musste das Trailrunning aber scheinbar vergessen gehen, bevor es jetzt wiederentdeckt wird. Trailrunning gibts schon ewig, vor 10000 Jahren liefen die Menschen als Jäger und Sammler kilometerweit offroad ihrer Beute hinterher. Mit den flachen Böden und der unendlichen Mobilität der modernen Gesellschaft verschwand das ursprüngliche Laufen auf unebenem Untergrund allerdings zunehmend. Und heute tun wir im Alltag fast alles, um das Laufen zu vermeiden, jüngst haben wir auch noch die allerletzten Meter zum Arbeitsort mit dem E-Trotti erschlossen.

BACK TO THE ROOTS

Trailrunning steht für die Renaissance des ursprünglichen Laufens und ist eine perfekte Gesundheitssportart. Beim Laufen auf grobem Untergrund und über Stock und Stein muss man in der Lage sein, seinen ganzen Körper zu stabilisieren, damit man Wurzeln und Steinen ausweichen kann. Dadurch werden mehr und andere Muskelgruppen beansprucht als beim normalen Laufen. Und selbst der Kopf wird trainiert, damit man auf unebenen Pfaden mit vielen Richtungsänderungen und Hindernissen ohne Stolpern über die Runden kommt.

 

Damit der Trailrunning-Boom wirklich langfristig bestehen bleibt, müssen künftige Generationen das Laufen wieder als das entdecken, was es ist: Als die natürlichste und erstaunlich effiziente Fortbewegung aus eigener Kraft, die spielerisch ausgeübt alle Sinne sowie Körper und Geist stärkt. Dann wird nicht der «Ultra-Trail» als sportliche Herausforderung zum Sehnsuchtsziel, sondern der «Genuss-Trail» vor der Haustüre im gelebten Alltag. Und dann ist es auch keine ausserordentliche sportliche Leistung mehr, eine oder zwei Stunden rennen zu können, sondern eine Grundfitness, für die der Mensch grundsätzlich gebaut und bestens ausgerüstet ist.

Das gilt es von Klein auf zu fördern und vor allem: vorzuleben. Unsere wunderbare Schweiz eignet sich perfekt fürs Trailrunning, und wer’s ausprobiert und genügend motiviert ist, wird begeistert sein. Doch Abkürzungen gibt es keine, Laufen muss man schon selbst, denn (zum Glück) ist Trailrunning als Urform menschlicher Fortbewegung ehrlich und transparent – und auch künftig anders als das Velofahren vor elektrischem Rückenwind gefeit.