Trainierte Muskeln können sich erinnern

Andreas Lanz 26. Juni 2019

Eine Krankheit, ein Unfall, berufliche oder familiäre Verpflichtungen – alles Ereignisse, die bisher erzielte Trainingserfolge zunichtemachen könnten. Unser Körper befindet sich in einem ständigen Anpassungsprozess. Davon ist auch unsere Muskulatur betroffen. Wenn wir sie trainieren, wird sie aufgebaut – und abgebaut, wenn wir sie über einen gewissen Zeitraum nicht mehr beanspruchen.

Dieser Mechanismus des Körpers sorgt für das innere Gleichgewicht, also dafür, dass unser Energiehaushalt stimmt. Untersuchungen zeigen, dass auch wenn wir zu einer längeren Trainingspause gezwungen werden, bisher geleistete Anstrengungen nicht völlig für die Katz waren. Der Grund dafür ist der Muscle-Memory-Effekt.

Stell dir diesen Effekt wie ein Gedächtnis vor, das einmal gut trainierte Muskelfasern daran erinnert, wie stark sie einst waren. Die Muskeln reagieren dadurch wesentlich besser auf Trainingsreize. Begründet wird dies mit den bisher erlernten und abgespeicherten Bewegungsabläufen. Was bedeutet, dass erfahrene Sportler nach einer Trainingspause deutlich schneller in ihr altes Schema zurückfinden als jemand, der nie trainiert hat.

Die Dosis macht’s

Ich konnte dieses Phänomen mehrmals am eigenen Körper beobachten. Beispielsweise schrumpfte mein Oberschenkelumfang nach der letzten Knieoperation innerhalb einer Woche um 15 Zentimeter. Alleine durch das Rehabilitationstraining betrug der Unterschied acht Wochen nach der Operation bereits nur noch vier Zentimeter. Eine Tatsache, die fürs Krafttraining spricht. Speziell für alle Schreibtischtäter, welche die meiste Zeit des Tages sitzend verbringen. Denn der Muscle-Memory-Effekt ist eine Versicherung, die sich in jedem Fall lohnt.

Das bedeutet nicht, dass man sich nun zwingend fünfmal in der Woche im Fitnesscenter abrackern muss. Vielmehr gilt es realistisch zu bleiben mit dem Zeitmanagement und lieber zweimal pro Woche 90 Minuten zu investieren. Während dieser Zeit trainiert man jeweils die grossen Muskelgruppen.

Das könnte zum Beispiel ein Mehrsatztraining (erst zwölf, dann zehn, dann acht, dann sechs Wiederholungen) mit folgenden Übungen sein: Kniebeugen, Kreuzheben, Bankdrücken, Ruderzug, Schulterpresse und Klimmzüge. Vor dem Krafttraining wird die Rumpfmuskulatur mit verschiedenen Stabilisationsübungen aktiviert. Abgerundet wird das Training mit einem lockeren Auslaufen auf einem Ergometer (etwa 20 bis 30 Minuten) und sanftem Stretching.

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