Verpflegung beim Marathon
Soll man beim Marathonlauf nur trinken oder auch mal ein Gel einnehmen? Wie wichtig ist die Flüssigkeitsmenge und wie beginnt man mit der Erholung auf der Ziellinie? Laufexperte Viktor Röthlin zu wichtigen Punkten, die es bei der Verpflegung auf langen Distanzen zu beachten gilt.
Zuerst muss ich erwähnen, dass ich immer wieder erstaunt bin, wie wenig oder zumindest oberflächlich sich auch sehr ambitionierte Läufer mit ihrer Ernährung auseinandersetzen. Bei mir war das zum Glück schon sehr früh in meiner Karriere anders, als ich mit dem Ernährungsspezialisten Christof Mannhart in Kontakt kam. Er gab mir entscheidende Inputs, wie ich meine Ernährung in Training und Wettkampf optimieren konnte. So wusste ich bereits in der Lehre, was ich um neun essen sollte, um zwei Stunden später im Training auch wirklich die gewünschte Leistung erbringen zu können. Und ich wusste Bescheid über die für den Sport notwendigen Anteile von Proteinen, Kohlenhydraten und guten Fetten in der Ernährung.
Grundsätzlich ging es bei mir vor allem um zwei Punkte:
- Genügend Energie während der Leistung
- Optimierte Erholung nach der Leistung
Um meine persönlich optimale Ernährung definieren zu können, sind wir systematisch vorgegangen. Zuerst haben wir mit einem Ernährungsprotokoll herausgefunden, welche Energiemenge für mich passend war, mit welcher Ernährung ich welche Leistung erbringen konnte und auch, wie viel Energie ich benötigte, damit ich mein Gewicht aufrechterhalten konnte. Als Athlet in einer Ausdauersportart verbraucht man bei intensiven Leistungen enorm viel Energie und muss schauen, dass man diese mit der Ernährung wieder zuführen kann. Aber eben auch nicht immer gleich viel, je nach Witterung. So habe ich bei kühlen Bedingungen weniger geschwitzt und ergo auch weniger Flüssigkeit getrunken als bei heissen Bedingungen. Damit ich aber dennoch genügend Energie einnehmen konnte, habe ich entsprechend bei kaltem Wetter die Getränke etwas süsser angemischt mit einer höheren Kohlenhydratkonzentration. Ich habe sogar meine persönliche Temperaturtabelle erstellt und wusste so genau, bei welchen Temperaturen die Kohlenhydratkonzentration und die Menge Flüssigkeit wie hoch sein musste.
Um die passende Kohlenhydratkonzentration ist in der Marathonszene ein richtiger Hype entstanden, seit man weiss, welches Getränk Eliud Kipchoge zu sich nimmt. Maurten – so heisst das Getränk – hat das marketingtechnisch geschickt ausgenutzt. Die schwedische Firma propagiert eine weitaus höhere Kohlenhydratkonzentration als der früher in einem Sportgetränk übliche AnteiI von rund 6%. Mittlerweile werden Sportgetränke in Konzentrationen von 12–15% angeboten. So neu ist das allerdings nicht, denn bereits zu meiner Zeit konnte ich dank Long Energy (heute Endurance+) von Isostar ein Sportgetränk mit einer Kohlenhydratkonzentration von 15–18% anmischen! Wichtig dabei ist aber natürlich, dass man ein derart hoch dosiertes Getränk auch verträgt und der Magen es aufnehmen kann. Das muss man unbedingt möglichst unter Wettkampfbedingungen austesten.
Wie viel Flüssigkeit braucht es?
Die Flüssigkeitsaufnahme während eines Marathons kann recht gut im Vorfeld berechnet werden. Ein einfacher Trick ist, im Training bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen im Wettkampftempo zu laufen und das Körpergewicht vorher und nachher (nackt) zu messen. Wenn man die zugeführte Flüssigkeitsmenge miteinberechnet, weiss man, wie viel Flüssigkeit man pro Stunde verschwitzt. Und so wiederum kann man einen Trinkplan aufstellen, wann man im Wettkampf wieviel trinken sollte, um auf die gewünschte Menge zu kommen. Damit die maximale Leistungsfähigkeit über eine längere Zeit aufrechterhalten werden kann, muss man 60 Gramm Kohlenhydrate (Glykogen) pro Stunde in den Körper reinbringen. Dies habe ich wie folgt gemacht:
- Ich habe ab km 10 alle 5 km (also siebenmal) je 1,5 dl getrunken.
- Erst ab km 10, weil ich kurz vor dem Start noch einen halben Liter eingenommen habe.
So bin ich über die Marathondistanz auf 1,55 Liter Flüssigkeitseinnahme gekommen, also auf rund 7 Deziliter pro Stunde. Bei heissen Bedingungen ist diese Rechnung aber nicht aufgegangen. Bei meinem dritten Rang beim WM-Marathon in Osaka 2007 war es enorm heiss mit einer Luftfeuchtigkeit von über 80%. Da versuchte ich bereits von Beginn weg, alle 5 km 2 dl Sportgetränk (leicht verdünnt) zu trinken (also insgesamt achtmal) plus zusätzlich bei weiteren Verpflegungsständen auf der Strecke 2 dl Wasser (insgesamt sechsmal), um den Flüssigkeitsverlust kompensieren zu können. Ich habe also insgesamt 3,3 Liter Flüssigkeit zu mir genommen. Dennoch war ich nach dem Marathon 3 Kilo leichter als vorher, habe also über 10% des Körpergewichtes an Flüssigkeit verloren, was gefährliche körperliche Auswirkungen haben kann. Bei km 40 habe ich meinen Namen nicht mehr gewusst, das war eine absolute Grenzerfahrung.
Nur trinken oder auch Gels?
Immer wieder werde ich gefragt, ob man sich beim Marathon nur flüssig ernähren soll oder auch Gels oder gar feste Nahrung Sinn machen. Auch da muss ich bei der Antwort differenzieren. Als die Gels aufkamen, habe ich sie natürlich – in Kombination mit Wasser – ebenfalls ausprobiert. Ich habe aber rasch eingesehen, dass es mir im Wettkampftempo unmöglich war, die klebrigen Gels einzunehmen. Vorher und nachher okay, aber während? Für mich war dies nicht möglich! Je länger man aber für einen Marathon braucht, desto eher können Gels und/oder sogar feste Nahrung (z.B. Bananenstücke) eingenommen werden. Und neu gibt es Hydrogels, welche doch etwas leichter eingenommen werden können. So würde ich meine Empfehlung variieren:
- Unter 3 Stunden = nur trinken; plus evtl. 2 Hydrogels
- Zwischen 3–4 Stunden =Trinken und auch (Hydro)Gels möglich
- Ab 4 Stunden = da könnte man nebst den Getränken und Hydrogels auch Bananenstücke, Riegel oder Biberli essen
Wichtig bei der Einnahme von Gels oder fester Nahrung ist, dass man sich beim Verpflegungsposten keinen Stress macht und ein paar Schritte marschiert, denn diese paar Sekunden Zeitverlust machen keinen Unterschied in der Gesamtzeit.
Die Erholung beginnt im Ziel
Ebenfalls eine wichtige Erkenntnis bei meiner Ernährungsstrategie war: Die Erholung beginnt auf der Ziellinie. Bei meinen ersten Marathons habe ich noch gedacht, das spiele keine Rolle, weil ich ohnehin danach drei Wochen Pause einlegte, da gönnte ich mir auch den Gang zum McDonalds. Ich lernte aber schnell, dass vor allem die rasche Einnahme von hochwertigen Proteinen viel dazu beiträgt, dass sich der Körper besser erholt und schneller wieder bereit ist für sportliche Leistungen.
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