Anfersen macht das Laufen schnell

Roman Koch 11. Mai 2021

Foto: Medical Running

Die Physik hilft dir die Leistung beim Joggen zu verbessern, aber wie genau funktioniert das?

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Die Spielbeinphase beim Joggen wird sehr selten genau angeschaut, da sie in erster Linie kaum zum Tempo beiträgt, könnte man meinen. Hier erfährst du, weshalb dies nicht stimmt:

Beim Joggen ist einer der wichtigsten Aspekte der Antrieb. Der Fuss sorgt während der Bodenkontaktzeit für Vorwärtsschub - vom Aufsetzen des Fusses unterhalb des Körpers bis zum «Toe-off» kreierst du Tempo. Was aber passiert in der Spielbeinphase, und wie können wir diese verbessern? Und so funktioniert der Zusammenhang zwischen Spielbeinphase und Tempo:

 

Wenn der Fuss hinter dem Körper den Boden verlässt, muss das ganze Bein sofort nach vorne hoch gezogen werden. Diese Bewegung kommt aus der Hüfte und sollte energieeffizient sein. Das Hochziehen des Beines kann auf zwei Arten erfolgen: mit einem eher gestreckten oder einem mehr gebogenen Knie. Darin liegt der entscheidende Unterschied - jetzt kommt die Physik zum Zuge: Der Hüftbeuger, welcher das Bein nach vorne zieht, muss weniger arbeiten, wenn das Knie gebeugt ist. Gleich noch einmal: Je mehr der Unterschenkel in der Spielbeinphase «hängen gelassen» wird und das Knie gestreckt bleibt, desto länger der Hebel und umso mehr Arbeit für den Hüftbeugemuskel, um das Bein nach vorne oben zu bringen. Dieser Mechanismus kommt erst ab einem gewissen Tempo zum Zuge. Wenn du locker und langsam läufst, wird dein Bein eher gestreckt nach vorne bewegt. Wenn du dein Tempo steigerst, sollte zwingend dein Knie mehr gebeugt werden. Hier und jetzt kommt das «Anfersen» zum Zug und dieses will gelernt sein.

 

Das Anfersen im Detail: Im letzten Moment der Abrollphase beginnt die Spielbeinphase. Mit dem sogenannten «Toe Off» ist die maximale Streckung des Beins nach hinten ausgeführt (Bild 3). Die Hüfte und das Knie sind gestreckt. Die Haltung bleibt aufgerichtet und mit der nötigen Neigung nach vorne. Der Abdruck nach hinten über die Zehenspitzen erfolgt. In dieser totalen Verlängerung der Hüftbeugemuskulatur entsteht sozusagen automatisch eine dynamisch-elastische Kraft, der Hüftbeuger wird dank optimaler Vordehnung wie ein gespannter Gummi nach vorne gezogen. Gleich danach beginnt der Hüftbeugemuskel das Bein aktiv nach vorne zu ziehen. Parallel dazu wird in Phase 3 auch die rückseitige Oberschenkelmuskulatur (Ischios) vorgedehnt und zieht sich nach der «Toe off» Phase automatisch zusammen, wodurch sich die Ferse automatisch in Richtung Gesäss bewegt. Hüftbeugung und Kniebeugung zusammen bewirken, dass der Unterschenkel in die Horizontale oder sogar darüber kommt. Beim Nach-vorne-Ziehen des gebeugten Knies entsteht eine kurze und damit bewegungsökonomische «Pendelwirkung», das Spielbeinknie zieht rasch am Knie des Standbeins vorbei. Kurzum: Je mehr Beugung desto effizienter.

So viel zur Theorie. Damit das Anfersen in der Praxis funktioniert, muss deine Hüfte zwingend beweglich sein. Die Streckung aus der Hüfte heraus (Bild 3) muss optimiert sein. Ohne Streckbeweglichkeit der Hüftbeuger gibt es keinen elastisch-dynamischen Vordehnungseffekt. Nur so kann das nachfolgende Anfersen effizient und ökonomisch ausgeführt werden. Viel Erfolg! Du wirst an Tempo und Effizienz gewinnen.

Mit den folgenden drei Übungen verbesserst du das Anfersen

Laufsprünge (Lauf-ABC Übung)

 

Start: Lockeres Lauftempo und dann auf der linken Seite ein explosives Abstossen und nach vorne Abdrücken. Das rechte Bein wird nach vorne oben gezogen, während das linke Bein in der Streckung bleibt. Danach Landung auf dem rechten Bein und mit dem nächsten Aufsetzen des linken Fusses direkt der nächste Laufsprung.

Dosierung: 5 bis 10 Sprünge über 20-30 Meter, 4-6 Serien, beide Seiten

Aufgepasst: Aufrechte Haltung mit leichter Neigung nach vorne. Die Hüfte und das Knie gestreckt in der Abdruckphase, wie auch in der Flugphase.

Variante: Im Wechsel links recht direkt abspringen und bei der Landung gleich wieder wegdrücken.

Anfersen (Lauf-ABC Übung)

 

Start: Lockeres Joggen und dabei die Ferse zum Gesäss ziehen. Nur immer das eine Bein zum Gesäss ziehen. Mit einem Zwischenschritt als Pause oder dann gleich jedes Mal links oder rechts. Dieser Vorgang muss zwingend schnell ausgeführt werden. Danach wieder schnelles zum Boden bringen des Fusses.

Dosierung: Über 10-15m, 4-6 Serien

Aufgepasst: Körperhaltung bleibt aufrecht mit leichter Neigung nach vorne. Armschwung wie gewohnt auf der Seite des Körpers.

Variation: Beidseitiges Anfersen im Wechsel oder dann im Rhythmus zwei Mal links und einmal rechts oder umgekehrt.

Umsetzen des Anfersens

Start: Über 100m das Tempo kontinuierlich steigern und dabei das Anheben der Ferse zum Gesäss verstärken. Bewusstes Hochziehen zum Beginnen, dann aber über die elastisch-dynamische Hüftstreckung den Unterschenkel über die Horizontale bewegen lassen.

Dosierung: 6-8-mal 100m, nach jeden 100m locker auslaufen und kurze Pause (ca. 30sek)

Aufgepasst: Ferse kommt erst mit erhöhtem Tempo über die Horizontale.

Variation: Fokus nur auf die eine Seite legen und auf dieser ein vermehrtes Anfersen ausführen.