Gender Medicine: Damit's beim Laufen nicht läuft

Petra Wagner 22. September 2020

Viele Frauen leiden beim Joggen an Harnverlust, Senkungsbeschwerden & Co. Ich zeige dir, wie das Laufen Schritt für Schritt zum Fitnesstraining deines Beckenbodens wird.

Dieser Beitrag wird präsentiert von Medical Running

Jogging erfreut sich besonders bei Frauen grosser Beliebtheit. Der geringe Zeitaufwand, die Flexibilität und die Vereinbarkeit mit Beruf und Familie machen diesen Sport für uns Frauen besonders attraktiv. Raus aus der Haustüre und los geht's.

Faust- und Wohlfühlregel

Nach Schwangerschaft und Geburt versuchen viele Frauen mit Joggen gerne den Wiedereinstieg in Sport und Fitness zu schaffen. Aber gerade hier herrscht grosse Verunsicherung ab wann und ob überhaupt, das Joggen wieder sinnvoll und gesund ist. Die Faustregel: Joggen frühestens 2-3 Monate nach der Geburt, intensives Training 4-6 Monate nach der Geburt sind ok. Oder die Wohlfühlregel: Sobald zügiges Gehen über längere Zeit wieder möglich ist, du dich fit fühlst und der Beckenboden seine Spannkraft zurückgewonnen hat, darfst du es mit dem Joggen wieder probieren. Die «Wartefrist» ist notwendig, weil die hormonellen Veränderungen zu einer Auflockerung des Bindegewebes geführt haben, welche sich zunächst zurückbilden muss. Mein Tipp: Lieber etwas später als früher beginnen, um dem Rückbildungsprozess Zeit zu geben.

Die eigene Mitte wiederfinden

Unbestritten ist: Der Beckenboden wird durch die wohl intensivsten Ereignisse im Leben einer Frau – Schwangerschaft und Geburt – stark belastet und strapaziert. In der Folge führen diese Veränderungen häufig zu Blasenschwäche und Senkungsneigung. Ungünstige Haltungs- und Bewegungsmuster während der Schwangerschaft – verstärktes Hohlkreuz durch den wachsenden Bauch – werden auch nach der Geburt beibehalten. Kreuzschmerz und Haltungsschwäche sind vorprogrammiert. Die Kombination von starker Belastung des Beckenbodens und unkoordinierter Körperhaltung ist besonders ungünstig.

Timing is everything

Die Empfehlungen, den Beckenboden beim Laufen permanent anzuspannen, sind definitiv passé! Anspannen und entspannen im Rhythmus der Fortbewegung sind gefragt. Es geht um die rhythmische Aktivierung der dreischichtigen Beckenbodenmuskeln – Massage der Beckenorgane inklusive! Der Beckenboden gibt zudem wichtige Impulse für die Aufrichtung des Beckens und sorgt so für die Stabilität von Becken und Wirbelsäule während der Bodenbelastungsphase – egal ob beim Laufen oder auf der Treppe. Wie selbstverständlich verbessert das Gehen und Laufen – richtig ausgeführt – die Ansteuerungsgeschwindigkeit und die Schnellkraft des Beckenbodens. Der präsente Beckenboden fungiert wie ein Dirigent im Schritt, er orchestriert Bauch-, Hüft- und Rückenmuskulatur.

Ein zu wenig an Grundspannung geht mit Kraft- und Schnelligkeitsverlust einher, ein zu viel mit Verstopfung und Hämorrhoiden. Dieses feine Zusammenspiel während des Gehens und des Laufens beeinflusst massgeblich die Kontinenz. Spannen und Loslassen im richtigen Moment – darauf kommt es an. Timing is everything! Hier meine Lieblingsübung für den Wiedereinstieg ins Joggen nach Schwangerschaft und Geburt:

Übung «Beckenbodenrakete» 


Nutzen: Den Impuls im Schritt entdecken und gleichzeitig mehr Stabilität und Dynamik im Becken generieren. Mehr Leichtigkeit in der Bewegung.

Aktion: Aufstehen aus dem Sitzen von einem Ball mit «explosivem» Beckenbodenimpuls. Wer keinen Sitzball hat, legt einen kleinen, leicht aufgeblasenen Ball auf den Stuhl und setzt sich drauf. 

  1. Aufrechter Sitz auf den Sitzbeinhöckern im vorderen Drittel des Stuhles
  2. Füsse, Knie und Hüften bilden zwei parallele Linien
  3. Einige Male federn und bei 1-2-3 – Hopp - aufstehen!
  4. Die beiden Sitzbeinhöcker impulsartig wie zwei Magnete zueinander ziehen und wie eine Rakete ins Aufstehen starten.

Dosierung: 2 – 3 Minuten, morgens und abends

Aufgepasst: Während der Übung bilden Rücken und Becken eine Gerade. Wie ein «Stehaufmännchen» neigst du Becken und Rücken en bloc nach vorne und bringst so dein Körpergewicht über deine Füsse. Das Aufstehen wird «leicht» und «beschwingt»

Varianten:

  1. Du sitzt auf deinen Fingern – zwischen Po und Ball – und verstärkst so den Impuls beim Aufstehen
  2. Integriere diesen Impuls in deinem Alltag – bei jedem Aufstehen vom Bürostuhl, vom Mittagessen oder der Toilette.
  3. Wer das rhythmische Timing üben möchte, kann dies auch auf der Treppe üben, am besten treppab: Synchron mit dem Aufsetzen des Fusses auf der nächst unteren Stufe spannt der Beckenboden kurz an. 

Take home Message

Der Beckenboden ist dafür geschaffen im Alltag unter Druck zu arbeiten. Der entscheidende Impuls im Beckenboden will gelernt, getimt und in den Alltag integriert werden. Mit ein bisschen Übung gelingt's und der Schatz im Beckenboden kann gehoben werden. Wenn das keine gute Nachricht für uns Frauen ist?! Also Ladies, zuerst auf «Schatzsuche» gehen, dann Laufschuhe an und los geht’s!