Interview mit Bernhard Eggenschwiler

12. Januar 2016

Mit einer eindrücklichen Aufholjagd hat der 30-jährige im vergangenen Jahr schlussendlich überlegen den Hunderter von Biel gewonnen und wurde Schweizer Meister. Das Resultat des Büsserachers ist umso höher einzustufen, als dass er nach 6 Kilometern eigentlich aufgeben wollte.  

100 Kilometer sind eine Distanz, die viele nur mit dem Rad oder dem Auto schaffen. Du machst das zu Fuss und mit einer Pace von 4:13min/km - schlicht beeindruckend. Welches sind deine Trainingsprinzipien, die dich so schnell machen?  

Der Distanz als Ganzes begegne ich mit Respekt, doch lassen sich die 100km in Abschnitte (Meilensteine) unterteilen. Ich setze den Fokus auf den jeweiligen Abschnitt. Habe ich ihn hinter mir gelassen, bin ich motiviert für den nächsten mit seinen eigenen Merkmalen und komme dem Ziel abschnittweise näher. 

Das Training ist ähnlich strukturiert wie beim Marathon, jedoch sind die „Longruns“ häufiger und länger. Es ist die Kumulation von „Longruns“ während 2-3 Tagen, oft über das Wochenende, welche substanziell zur Ausdauerfähigkeit beitragen. Insbesondere versuche ich dabei gegen Ende der Einheit teilweise das Tempo noch zu erhöhen, um so einen Reiz zu setzen. Analoges gilt für die Erholung: Nach einer harten 3er-Belastung über das Wochenende braucht der Körper in der Regel 2-3 Tage Erholung. Diese kann beschleunigt werden mittels Velo/Spinning oder leichten Laufeinheiten. Es gilt auch für den Kopf sich von diesen teils bis 5 Stunden dauernden Trainingseinheiten zu erholen. 

Auf dem Weg zu den Schweizer Meisterschaften über die 100 Kilometer hast du einen Marathon und einen Ultralauf über 50 Kilometer bestritten. Was ist deine Empfehlung betreffend Training und Vorbereitungswettkämpfen für all jene, die einmal im Leben in Biel oder anderswo an einem Ultralauf teilnehmen möchten?

  • Wichtig erscheint mir, eine Planung über einen längeren Zeitraum zu erstellen. Für Biel erstelle ich gemeinsam mit Mega-Joule.ch einen Grobplan von mindestens 6 Monaten. Idealerweise reserviere ich die wichtigsten Termine frühzeitig und melde mich an, wo nötig. Dabei denke ich nicht nur an die Wettkampftermine, sondern auch an Massage, Ferien, Trainingslager usw.
  • Langsam an die Wettkampfdistanz herantasten. Zum Beispiel mit einem Halbmarathon als Ziel beginnen, später Marathon, dann 100km.
  • Lange Trainingseinheiten helfen, beim Wettkampf auch mental über die Runden zu kommen. Können diese gemeinsam mit Freunden absolviert werden, geht die Zeit/Distanz viel schneller vorbei.

Als Ultraläufer sammelst du viele Laufkilometer. Nebenbei arbeitest du 100% als Experte Finanzbuchhaltung. Kannst du uns einen Überblick geben, wie viel du 2015 gelaufen bist, alternativ trainiert, Gewichte gestemmt und in die Erholung gesteckt hast?  

2015 war ich etwas mehr als 5000km mit den Laufschuhen und rund 900km mit dem Velo/Bike unterwegs. Wöchentliche Kräftigungsübungen erfolgten jeweils mit dem eigenen Körpergewicht. In die Erholung habe ich bestimmt viele Tage gesteckt. Ich war durchschnittlich alle 2-3 Wochen im Solebad und 1x im Monat in der Massage. Praktisch meine ganzen Ferien wurden in das Training investiert. 

Während einem Marathon hat man viel Zeit zum Überlegen, hat ein ehemaliger Marathon-Olympiasieger gesagt. Das muss bei einem Ultralauf noch viel extremer sein. Was läuft bei dir während einem Rennen im Kopf ab? Wie reagierst du auf aufkommende negative Gedanken?  

Ich versuche die Wettkämpfe immer zu geniessen. Diese sind freiwillig und dafür wurde trainiert. Dabei ist das Glas stets halbvoll statt halbleer zu betrachten. Wer sein Rennen einigermassen gut einteilt, wird auf der zweiten Streckenhälfte profitieren. Negative Gedanken und Krisen gehören zum Wettkampf. Diese kommen früher oder später bei jeder Person, speziell bei langen Distanzen. Je besser diese akzeptiert werden, umso einfacher gehen diese vorüber. 

Ich gebe zu, als Zahlenmensch analysiere ich den Wettkampf laufend, bin gedanklich teilweise ein wenig hin und her gerissen (Vorsprung, Konkurrenz, Tempo, etc.) - dann hilft es durchwegs, alles zu ignorieren, vorwärts zu denken, einfach locker weiter zu bewegen und keine Kraft in diese Gedanken zu verlieren - denn ändern lässt sich häufig sowieso nichts.

 

 

Foto: ZVG