Interview mit Jari Claes
Der 25-jährige Berner Oberländer siegte Mitte September bei der Ironman-WM in Nizza in seiner Age-Group und schaffte es als insgesamt 28. mitten ins Profi-Feld. Für die nächste Saison beantragt Claes die Profi-Lizenz.
Kannst du mit uns auf deine Saison zurückblicken und uns einen Einblick in deine Erlebnisse und deine Gefühlswelt geben?
Mein Ziel für dieses Jahr war es, noch mehr in den Sport zu investieren und konsequent alles auf eine Karte zu setzen. Entsprechend motiviert startete ich nach einem gut verlaufenen Wintertraining in die neue Saison.
Im Mai stand mit dem Ironman 70.3 in Jesolo (Italien) der erste Testwettkampf auf dem Programm. Dieser diente dazu, einen Anhaltspunkt zu bekommen, woran noch gearbeitet werden muss. Mit einem überwältigenden Gefühl konnte ich als Erster in den Zielkanal einlaufen und meinen ersten Gesamtsieg feiern!
Mein erster Saisonhöhepunkt war für den Ironman Thun geplant. Auf dem Weg dorthin gab es ein mehrwöchiges intensives Trainingslager im Engadin und zur Abwechslung den Ironman 70.3 in Rapperswil. Dieses Rennen hat für mich eine besondere Bedeutung, da ich dort vor 5 Jahren quasi meine Triathlon-Karriere gestartet habe. Umso mehr hat es mich gefreut, dass ich in diesem Jahr bereits den zweiten Overall-Sieg feiern konnte.
Mit dem Triumph in Rapperswil nahm ich viel Motivation mit in die letzten Vorbereitungswochen und für den Ironman in Thun. Leider lief dort nicht alles nach Plan. Die Hitze machte mir zu schaffen und auf der Laufstrecke hatte ich ab Kilometer 21 starke Schmerzen im Zwerchfell und in den Beinen. Ich versuchte das Rennen kontrolliert zu Ende zu bringen und die Heimkulisse trotzdem zu geniessen. Das ist mir gelungen und so konnte ich den Gesamtsieg bei den Amateuren und den 16. Platz bei den Profis feiern.
Nach Thun war vor der WM in Nizza. Leider machte mir aufgrund des hohen Trainingspensums das rechte Sprunggelenk zu schaffen und nach einer MRI war klar, dass ich einen Ermüdungsbruch und mehrere Sehnenscheidenentzündungen im Sprunggelenk hatte. Der Fokus lag nun auf der Genesung, um den Traum von der Weltmeisterschaft doch noch wahr werden zu lassen. Für mich war das mental die härteste Phase der Saison. Ich habe gemerkt, dass ich nichts mehr ändern kann und habe mich auf das konzentriert, was ich beeinflussen kann.
In Nizza schwamm ich Saisonbestzeit und ging auf dem Rad ans Limit, um möglichst viel Vorsprung mit auf die Laufstrecke zu nehmen. Bis Kilometer 10 lief es sehr gut. Dann begannen die muskulären Probleme und mein Fussgelenk machte sich wieder bemerkbar. Ich kämpfte mit dem Gedanken aufzugeben, dachte aber gleichzeitig daran, was ich alles investiert habe, was andere in mich investiert haben und wie viele Leute meinetwegen nach Nizza gekommen sind. Das gab mir die Energie und den Durchhaltewillen, das Rennen als Weltmeister der Altersklasse 25-29 und gleichzeitig als Zweiter aller Altersklassenathleten zu beenden.
Für mich war Nizza ein versöhnlicher Saisonabschluss. Ich bin sehr stolz auf die Siege, die ich feiern konnte und auf die Arbeit, die mein Team und ich in diesem Jahr geleistet haben.
Erst vor fünf Jahren hast du mit Triathlon begonnen. Welches sind für dich die 3 wichtigsten Punkte, die zum Erfolg führen?
- Strukturiertes Training (Trainingsplan, Trainer)
- Durchhaltewillen (Passion)
- Spass haben bei dem, was man macht
Wie sieht das Training eines angehenden Triathlon-Profis aus? Kannst du uns eine beispielhafte Trainingswoche aus deinem Trainingsalltag nennen?
Die Grundstruktur ist immer sehr ähnlich, aber die Dauer und Intensität variieren teilweise von Woche zu Woche. Wie es nächstes Jahr aussieht, weiss ich noch nicht genau.
Montag:
Vormittag: Swim 1.5h, Bike 4h / Nachmittag: Arbeiten / Abend: Mobilität
Dienstag:
Vormittag: Swim 1.5h, Bike 2h, Run 1h / Nachmittag: Arbeiten / Abend: Mobilität
Mittwoch:
Vormittag: Run 1.5h, Bike 4h / Nachmittag: Arbeiten / Abend: Gym 1h, Mobilität
Donnerstag:
Vormittag: Swim 1.5h, Bike 3.5h / Nachmittag: Arbeiten / Abend: Mobilität
Freitag:
Vormittag: Run 2h, Swim 1.5h / Nachmittag: Arbeiten / Abend: Mobilität
Samstag:
Vormittag: Bike 6h / Nachmittag: evtl. Arbeiten / Abend: Mobilität
Sonntag:
Vormittag: Bike 3h, Run 0.5h / Nachmittag: Swim 1.5h, Gym 1h / Abend: Mobilität
Der Winter steht bevor. Welches sind deine Tipps fürs Wintertraining?
Im Winter sollte man mehr an den Grundlagen arbeiten und nicht zu viel Wert auf Tempo legen. Dafür ist im Frühjahr noch genügend Zeit.
Ausserdem ist es wichtig, sich auch im Winter ein Ziel für das Training zu setzen. Zum Beispiel kann man den Schwerpunkt auf das Lauftraining legen. Hier könnte man an der Laufeffizienz arbeiten. Man kann an der Schrittfrequenz arbeiten oder an der Abrollphase der Füsse, an der Armarbeit etc.
Gibt es einen Geheimtipp aus den Bereichen Training, Material, Ernährung oder Erholung, den du uns verraten kannst?
Ich würde nicht sagen, dass es ein Geheimtipp ist, aber es hilft mir definitiv, meine Ziele zu erreichen: Sei konsequent in jedem Training. Es gibt in jedem Training etwas, was du besser machen kannst. Wenn Disziplin, Ehrgeiz und Spass im Gleichgewicht sind, wird sich früher oder später die Verbesserung und/oder der Erfolg einstellen.
Fotos: ZVG
Wir danken Jari Claes für die spannenden Antworten.
Mehr Infos zu Jari Claes gibt es hier.
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