Interview mit Kathrin Goetz
Die 40-jährige Solothurnerin gewinnt zum zweiten Mal nacheinander den Eiger Ultra Trail. Die dreifache Mutter und Teilnehmerin der diesjährigen Trail-WM in Portugal benötigte für die 101 Kilometer und 6700 Höhenmeter rund 14 Stunden.
Wie hast du «deinen» Tag am Fusse der Eiger-Nordwand erlebt? Kannst du uns Einblick in dein Rennen und deine Gefühlswelt geben?
In der kurzen Nacht vor dem Start schlief ich keine Sekunde, weil ich nervöser war als sonst. Dies nicht zuletzt, weil ich als Siegerin der letztjährigen Austragung von vielen Seiten als Favoritin bezeichnet wurde, und weil das Schweizer Fernsehen mich mit einem Kamera-Team begleiten wollte. Ich versuchte dies alles auszublenden und mich nur auf mein Rennen zu konzentrieren.
Nach einem etwas harzigen Start lief es immer besser, bis ich bei Kilometer 40 jäh aus meinem Flow gerissen wurde: Ich stürzte unglücklich auf mein Knie und das Rennen schien mit einem Schlag gelaufen zu sein. Ich versuchte weiterzulaufen, den Schmerz zu ignorieren und meine Gedanken auf Sachen zu lenken, die gut funktionieren. Berghoch konnte ich zum Glück gut laufen. Doch die langen Downhill-Strecken wurden zur Tortur. Mir wurde richtig übel vor Schmerz. Ich war noch selten so froh, als ich im Ziel angekommen bin.
Im Ziel war ich glücklich und enttäuscht zugleich. Einerseits konnte ich meinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen, anderseits habe ich mein persönliches Ziel, den Wettkampf in ca. 13h30 zu beenden, nicht erreicht. Der Eiger Ultra Trail hat wieder mal gezeigt, dass bei einem Ultra Trail nicht alles planbar ist und vieles passieren kann. So gesehen bin ich froh, dass meine Leistung unter diesen Umständen trotzdem zum Sieg gereicht hat.
Zum Kampf mit der Distanz und den Höhenmetern gesellte sich demnach jener mit den Schmerzen, den du mental gemeistert hast. Was läuft bei dir grundsätzlich während einem Rennen im Kopf ab?
Ein Rennen teile ich immer in einzelne Abschnitte ein und versuche diese möglichst effizient zu bewältigen. Gleichzeitig bin ich damit beschäftigt zu prüfen, wie es meinem Körper und meinem Energie-Haushalt gerade geht. Ich versuche dabei immer möglichst frühzeitig allfällige Signale einer verminderten Leistungsfähigkeit zu erkennen, damit ich reagieren und Energie nachschieben kann. Im Weiteren versuche ich, die Gedanken stets auf Sachen zu lenken, die im Moment gerade gut laufen.
Da ich bereits einige Ultra Trails gelaufen bin, weiss ich, dass es immer Tiefs gibt. Meistens braucht es aber "nur" etwas Geduld und Energie-Nachschub, um diese zu überwinden.
Welches sind in deinen Augen die drei Schlüssel, die zu deinem sportlichen Erfolg führen?
Die Einstellung: Ich denke, dass es einerseits schon wichtig ist, konsequent ein Ziel zu verfolgen und das Training auch dementsprechend zu gestalten. Andererseits braucht es eine gewisse Lockerheit und Flexibilität, damit man auch mit unvorhersehbaren Ereignissen besser umgehen kann. Weiter erachte ich als wichtig, dass man keine Energie verschwendet mit negativen Gedanken und Gefühlen über Dinge, die man sowieso nicht ändern kann.
Das Umfeld: Ich bin sehr dankbar, dass meine Kids verstehen, wie wichtig der Sport für mich ist. Sie wissen, dass ich für sie da bin. Aber sie wissen auch, dass ich meine freie Zeit (= Training) brauche. Zudem habe ich einen Lebenspartner, der sehr viel Verständnis hat und mich stark unterstützt. Das weiss ich sehr zu schätzen!
Der Trainer: Hinter der ganzen Trainingsplanung steht ein Trainer, der meine Situation gut kennt und das Training und die Erholung perfekt darauf abstimmt.
Immer mehr Läuferinnen und Läufer spielen mit dem Gedanken, einmal einen Ultra zu laufen. Welches sind deine wichtigsten drei Tipps, damit es klappt?
- Viel Training und eine gute Vorbereitung. Was aber nicht zwingend bedeutet, dass man im Training immer wieder 5-6h oder noch länger laufen muss. Wer eher wenig Trainings- (und Erholungs-)Zeit zur Verfügung hat, kann auch mit kürzeren - aber ev. intensiveren - Einheiten viel erreichen.
- Gutes Informieren über den angestrebten Ultra Trail. Wie ist das Gelände? Gibt es viele felsige Passagen, sehr steile Auf- und Abstiege? Ist die Strecke „laufbar“? Verläuft ein Teil des Rennens durch die Nacht? Dies hat alles Einfluss auf die Vorbereitung.
- Verpflegung. Im Training testen, was man in Sachen Verpflegung verträgt und gerne hat. Wenn man ein Produkt zwar vom Magen her gut verträgt aber den Geschmack nicht mag, wird man sich schlechter verpflegen; dies kann grosse Leistungseinbussen mit sich bringen.
Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preisgeben kannst?
Ich versuche mich möglichst ausgewogen zu ernähren und verzichte auf nichts. Durch mein Studium (BSc Ernährung und Diätetik) weiss ich, welche Mängel durch sehr einseitige Diäten und viel Verzicht entstehen können. Darum gilt: Von allem etwas, aber von nichts zu viel.
Foto: ZVG
Wir danken Kathrin Goetz für die spannenden Antworten.
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