Interview mit Matthias Kyburz

13. Dezember 2016

Seit mittlerweile 10 Jahren gehört Matthias Kyburz zur absoluten Weltspitze im OL. Der läuferisch starke Biologie-Student überzeugt in jedem Gelände und mischt auch an Strassen- und Crossläufen die Szene auf.

Im Gegensatz zu vielen anderen ist dir der Sprung von den Junioren zu den Aktiven nahezu problemlos geglückt. Welches sind in deinen Augen deine Erfolgsfaktoren?  

Ich denke, der Hauptfaktor war mein Trainingsaufbau. Ich steigerte mein Training Jahr für Jahr und konnte mit einer Basis von rund 500 Trainingsstunden in die Elite wechseln. Das war eine gute Basis, aber damit war ich noch lange nicht am Limit. Ich konnte die Intensität sowie die Quantität weiter erhöhen, was sich auch auf die Leistungswerte ausgewirkte. Zudem fand ich die Balance im Training, so dass ich nicht durch Verletzungen zurückgeworfen wurde. Die Kontinuität in meinem Training ist deshalb sicherlich auch ein Schlüsselfaktor. 

Als OL-Läufer braucht es mehr als schnelle Beine. Kannst du uns einen Überblick über dein Training geben?  

Ich trainiere sehr vielseitig. Das ist auch nötig, da ich Sprintrennen über 15 Minuten in der Stadt, bis hin zu Langdistanzläufen von bis zu 100 Minuten im norwegischen Sumpf absolviere. 

Ich zähle nicht Kilometer, da ich sehr oft am Hügel trainiere. Aber irgendwo zwischen 100-150 Laufkilometer werden es wohl sein. 

Im Wintertraining mache ich pro Woche etwa zwei Kartentrainings. Zusätzlich kommen noch ein bis zwei Quertrainings dazu. In einer „normalen“ Woche trainiere ich alles von einem knackigen Intervalltraining auf der Bahn bis hin zu einem zwei Stunden Long Jog querfeldein. Zwei Krafttrainings, sowie Fussgymnastik gehören auch zum Programm. Im Winter bin ich zudem auch auf den Langlauskis anzutreffen und im Sommer auf dem Bike oder dem Strassenvelo. 

Meine wichtigste erholungsfördernde Massnahme ist ganz simpel der Schlaf. Ich schaue, dass ich pro Nacht auf 9 Stunden Schlaf komme. Daneben gehe ich regelmässig in die Physiotherapie/Massage. 

Praktisch alle Schweizer OL-Läufer sind einmal während ihrer Karriere für längere Zeit in Skandinavien am Trainieren. Kannst du uns erklären, wo die Unterschiede und Herausforderungen beim Laufen in skandinavischen Wäldern liegen?  

Die Gelände in Skandinavien sind technisch schwieriger. In den Schweizer Wäldern gibt es viele Wege. In Skandinavien kann es vorkommen, dass man keinen einzigen Weg auf der Karte vorfindet. Der Waldboden ist zudem deutlich härter in der Schweiz als in Skandinavien. Wir reden vom harten und schnellen kontinentalen Gelände und vom weichen und kräftezehrenden Gelände in Skandinavien. Bei unseren Aufenthalten im Norden versuchen wir einerseits die physische Komponente zu schulen und andererseits an der Technik zu arbeiten. 

 

Du startest nicht nur an OL-Wettkämpfen, sondern auch sehr erfolgreich an Strassen- und Crossläufen. Was macht für dich den Reiz des Orientierungslaufens aus? Was fasziniert dich an den reinen Laufwettkämpfen?

Das Unbekannt vor einem Start fasziniert mich immer wieder aufs Neue beim OL. Man kann noch so gut vorbereitet sein, doch 1 Sekunde vor dem Start weiss ich gleichwohl noch „nichts“ vom Rennen. Jedes Rennen ist technisch, physisch wie mental eine komplett neue Herausforderung. Zudem geniesse ich es, dass ich einzigartige Naturlandschaften entdecken darf. 

Im OL starten wir bei fast allen Entscheidungen im Einzelstart. Daher vermisse ich teilweise die „First-to-finish“ Entscheidungen. Der Kampf Mann gegen Mann finde ich spannend bei Laufwettkämpfen. 

In welchen Bereichen könnten die Strassenläufer von den OL-Läufern profitieren und umgekehrt?

Aus meiner Sicht können OL-Läufer und Strassenläufer viel voneinander profitieren. Leider nähert man sich nur langsam einander an. Ich denke, wir OL-Läufer können im Bereich der Schnelligkeit und dem Laufstil von den Strassenläufern noch viel profitieren. Andererseits können Leichtathleten gut etwas mehr Steigung, im Sinne von Krafttraining, ertragen. Ich denke es schadet den Leichtathleten auch nicht, wenn sie von Zeit zu Zeit auf unebenem Untergrund trainieren. Das stärkt die Fussmuskulatur und verbessert die Koordination.

 

 

Foto: ZVG