Interview mit Michael Ott

26. April 2016

Marathonläufer Michael Ott bereitet sich derzeit auf die Halbmarathon Europameisterschaften in Amsterdam vor. Der Marathon Schweizermeister aus dem Jahr 2013 investiert viel für seine Passion und liebäugelt mit der Olympia-Qualifikation.  

Du hast deine Saison mit einem Trainingslager in Kenia vorbereitet. Was hat dich am meisten beeindruckt im Land der Läufer?

Am meisten die Leistungsdichte, die es bei uns so nicht gibt. In Iten wirst du (gefühlt) vom Spitzen- zum Mitläufer degradiert. Dies gibt zusätzlich Motivation, aus dem Training das Beste herauszuholen. Weiter hat mich natürlich auch beeindruckt, wie einfach die kenianischen Läufer leben und wie sie täglich ihr Training absolvieren, ohne wirklich Perspektiven zu haben. Und schliesslich ist auffällig, wie nichts so hektisch läuft wie bei uns. Bei ihnen liegt der Fokus auf dem Wesentlichen. 

Im Gegensatz zu vielen kenianischen Läufern bist du noch arbeitstätig. Welches sind deine wichtigsten Tipps für alle berufstätigen Hobbyläufer, um alles unter einen Hut zu bringen?

Sich die Ziele nicht zu hoch setzen und in der Trainingsplanung die Belastung durch Beruf und Familie unbedingt berücksichtigen. Weiter lohnt es sich, einen Trainingsplan zu befolgen, der gut strukturiert ist. Unnötige Trainingsläufe sollen vermieden, Zeit gewonnen werden.

Ich arbeite in einem Pensum von 50%. Dies nicht nur, um auf die Umfänge zu kommen, sondern auch, damit ich mich genügend erholen kann. Nicht nur das Training macht schneller, sondern auch und vor allem die Ruhezeit. 

Als Marathonläufer sammelt man in der Vorbereitung viele Laufkilometer. Kannst du uns einen Überblick geben, wie viel du pro Woche läufst, alternativ trainierst, Gewichte stemmst und in die Erholung steckst?

Die Laufumfänge schwanken zwischen 160-190 km in der Woche. Ich halte die Kilometer bewusst eher tief, ganz nach dem Motto "Qualität statt Quantität". Je nach Vorbereitungsphase gehe ich noch 1-2 mal in der Woche aufs Fahrrad. Um Verletzungen vorzubeugen, mache ich zusätzlich 2 Krafttrainings zur Stabilisierung des Körpers. Zur Erholung ist Schlaf die beste Unterstützung. In einem Trainingslager, wo ich die Zeit habe, lege ich mich nach dem Morgentraining gerne nochmals hin. Dehnen und Blackroll helfen die Regeneration zu unterstützen, Massage gibt es etwa einmal in der Woche. Ein warmes Bad ist auch sehr entspannend, nicht nur für die Muskeln. 

Du warst Schweizermeister über 10km Strasse (2013), Halbmarathon (2012) und Marathon (2013). Welches sind für dich die gewinnbringenden drei Tipps für diese Distanzen?

  1. Für alle gilt: ein Longrun hilft dir über alle drei Distanzen. Beim Marathon ist es die wichtigste Trainingseinheit überhaupt. Da sollte der Longrun auch über 30km gehen.
  2. Je kürzer der Wettkampf, desto höher das Lauftempo. Für einen schnellen 10km braucht es kurze, schnelle Wiederholungsläufe, die nicht mehr in der Komfortzone liegen.
  3. Um am Halbmarathon 2015 in Luzern die Limite für die Europameisterschaften zu erreichen, holte ich mir die Tempohärte mit längeren Trainingsläufen im geplanten Wettkampftempo.
Foto: ZVG