Welche Belastung braucht wie viel Erholung?

30. June 2025

@iStockphoto: zGel

Der Schlüssel zur effektiven Leistungssteigerung im Sport liegt in der Balance zwischen Training und Regeneration. Doch wie viel Erholung ist nötig und welche Massnahmen funktionieren am besten? 

Training macht nicht fitter: Erst die Erholung danach tut es. Sportliches Training ist daher nicht einfach eine Aneinanderreihung möglichst vieler körperlicher Belastungen, sondern setzt sich zusammen aus Belastung UND Erholung. Für die Leistungsoptimierung ist es entscheidend, die optimale Balance zwischen Trainingsreizen und genügend Regeneration zu finden. 

Der Grund: Erst in der Erholungszeit spielen sich im Körper die Anpassungserscheinungen ab, die zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit führen. Wenn wir es schaffen, unseren Körper im richtigen Moment mit dem richtigen Reiz zu fordern, erreichen wir die optimale Verbesserung unserer Leistungsfähigkeit und erklimmen Stufe für Stufe ein nächsthöheres Level. 

Die grosse Frage in Sachen Regeneration lautet: Nach welcher Belastung braucht es viel Erholung? Die Erholungszeit nach einer ganz lockeren Trainingseinheit ist verständlicherweise kurz und dauert nur wenige Stunden, nach einem intensiven Lauftraining oder kurzen Wettkampf hingegen mehrere Tage. Und ein Marathon am Limit bedingt eine Zeit von mehreren Wochen, bis sich der Körper vollständig davon erholt hat. 

Grundlegende Regenerations-Strategien

Die Grundlage einer effektiven Regeneration lässt sich mit dem Konzept der drei grossen R beschreiben: Refuel (Nährstoffaufnahme), Rehydrate (Flüssigkeitsaufnahme) und Rest (Erholung). 

  1. Refuel: Der wichtigste Ansatz ist ganz simpel, sich gut (kohlenhydrat- und eiweissreich) und oft zu ernähren. Insbesondere für Ausdauerathletinnen und Athleten gilt es, die Kohlenhydratspeicher nach einer Anstrengung wieder aufzufüllen. Die Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette und Proteine) sind nebst deren Funktion als Energieträger besonders für die Funktion und Struktur der Körpersysteme wichtig. 
  2. Rehydrate: Ein Wasserverlust von 1 bis 3 Prozent des Körpergewichts ist bei langen Trainingseinheiten normal. Wenn man nach Durst trinkt, wird diese Menge normalerweise wieder eingenommen. Getränke mit Salz und Elektrolyten sind effektiv, da sie den Körper anregen, die Flüssigkeit zu halten.
  3. Rest: Schlaf ist vermutlich der wichtigste Faktor für die Regeneration nach dem Training. Während des Schlafs werden zentrale Bestandteile bei der Makromolekül-Biosynthese wiederhergestellt und Reparaturprozesse eingeleitet. Meistens werden 7 bis 9 Stunden Schlaf empfohlen, wobei es bei intensiven Trainingsphasen auch mehr sein darf. 

Zusätzliche Regenerations-Strategien

Es gibt auch zahlreiche kommerzielle Angebote wie Nahrungsergänzungsmittel, Kälte, Wärme, Floating-Tanks, Massagen, Elektrostimulation, Magnetmatten, Ultraschall, Cremen, Kompressions-Strümpfe und -Stiefel usw., welche die Regeneration optimieren können Ein Vergleich ihrer Wirksamkeit ist allerdings sehr schwierig, da die Beweislage oft widersprüchlich ist und Studien unterschiedliche Methoden und Zielgruppen verwenden. Was die Angaben zur passenden Erholungsdauer zusätzlich erschwert: Je nach Verhalten und Massnahmen kann man eine nötige Erholungszeit optimieren, aber allenfalls auch verlängern (Alkohol, wenig Schlaf). 

Exakte Zeitangaben nicht möglich

Auch ein gutes Cooldown, Stretching, Gymnastik, Spazieren, lockeres Traben oder Bewegungsformen wie Wandern und Schwimmen oder passive Massnahmen wie Sauna, Massage, Schlaf oder ein Wärmebad begünstigen die Regeneration. Ebenso bewährt haben sich Entspannungstechniken wie Yoga, autogenes Training oder Meditation. Doch auch da gilt: Die konkrete Wirkung einer Massnahme ist kaum messbar, individuell unterschiedlich und von den Gewohnheiten eines Sportlers abhängig.

Die nötige Erholungszeit ist also von zahlreichen Faktoren abhängt, die nicht pauschal in einer Zahl wiedergegeben werden können. So sind die Erholungszeiten, die moderne Sportuhren ausspucken, mit grosser Vorsicht zu geniessen. Sie berechnen die Zeiten anhand persönlicher Daten sowie mit Algorithmen, die auf die breite Masse und Durchschnittswerte abgestützt sind und daher nur bedingt dem Individuum gerecht werden. Immerhin kann man sagen: Je mehr persönliche Infos und Erfahrungswerte moderne Uhren über den Anstrengungsgrad messen (z. B. wenn in Kombination mit Tempi auch die Pulswerte oder die Herzfrequenzvariabilität gemessen werden), desto genauer können sie individuelle Prognosen ermitteln.

Siamesische Zwillinge

Entscheidend ist: Belastung und Erholung gehören zum sportlichen Training, so wie siamesische Zwillinge zusammengehören. Wer aus Zeitmangel als erstes die Regeneration sausen lässt und im Hinblick auf eine bevorstehende sportliche Herausforderung mit dem Training überzieht, wird eher früher als später die Quittung dafür erhalten. 

Im Leistungssport besteht die Kunst schon lange nicht mehr darin, den Trainingsumfang zu steigern, sondern darin, das Training qualitativ zu steigern sowie die Regenerationszeit zu verkürzen, damit baldmöglichst wieder ein sinnvoller Trainingsreiz gesetzt werden kann. 

Breitensportlerinnen und -sportler sollten das Ganze so angehen, indem sie aufmerksam die Reaktionen des eigenen Körpers auf einzelne Belastungen wahrnehmen. Je mehr Erfahrungswerte man hat, desto besser wird das Körpergefühl und desto intuitiver findet man den passenden Moment, wo man erneut einen passenden Reiz setzen kann. 

Die einzelnen Erholungsphasen, die nach Extrembelastungen ablaufen

4-6 Minuten: Vollständige Auffüllung der muskulären Kreatinphosphat-Speicher.
30 Minuten: Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck und Milchsäurespiegel im Blut haben sich normalisiert. 
90 Minuten: Neuaufbau von zerstörtem Muskeleiweiss beginnt. Wechsel von abbauenden zu aufbauenden Stoffwechselvorgängen.
6-24 Stunden: In den ersten sechs Stunden erfolgt die erste Speicherfüllung (Kohlenhydrate, Eiweiss), der Ausgleich des Wasser- und des Elektrolythaushaltes (z.B. Magnesium und Eisen). Normalisierung des Verhältnisses fester und flüssiger Blutbestandteile (Hämatokrit).
24 Stunden: Auffüllung der Kohlenhydratspeicher in der Leber.
2-7 Tage: Auffüllen der Kohlenhydratspeicher in der beanspruchten und unter Umständen (teilweise) zerstörten Muskulatur.
3-5 Tage: Auffüllen der muskulären Fettspeicher.
3-10 Tage: Wiederherstellung der defekten Muskelfasern.
7-14 Tage: Wiederherstellung der Energiebereitstellungssysteme in den Zellen. Allmählicher Wiedergewinn der vollen muskulären aeroben Leistungsfähigkeit.
7-21 Tage: Psychische Erholung.
4-8 Wochen: Abschluss der Regeneration nach einer langen und komplett erschöpfenden Belastung wie Marathon, Ultra oder Ironman.