Wie viel Wasser braucht der Mensch?
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Im Sport ist die Bedeutung einer optimalen Flüssigkeitszufuhr bestens bekannt. Eine ausreichende Zufuhr ist aber auch für die Erhaltung der Gesundheit von elementarer Bedeutung.
Wasser gehört zu den essenziellen Nährstoffen und eine ausreichende Zufuhr ist für den Menschen unerlässlich. Im Gegensatz zu allen anderen Nährstoffen kommt der Mensch nur sehr kurze Zeit ohne Zufuhr von Wasser aus. Es ist daher schon fast verwunderlich, dass es für die Flüssigkeitszufuhr nur grobe Schätzwerte und keine genauen Richtlinien gibt.
Es gibt es aber gute Gründe dafür, weshalb eine generalisierte Empfehlung zur Flüssigkeitszufuhr wenig Sinn macht. Zum einen variiert der Flüssigkeitsbedarf individuell sehr stark, und zum anderen besitzt der Körper die Fähigkeit, sich einem schwankenden Konsum an Wasser relativ gut anzupassen. Problematisch wird es erst, wenn die dafür verantwortlichen Kontrollmechanismen aufgrund einer viel zu geringen – oder auch viel zu hohen Flüssigkeitszufuhr aus dem Lot geraten. In beiden Fällen können die Folgen fatal enden.
Konsum richtet sich nach Verlust
Die Frage, wie viel Wasser der Mensch benötigt, lässt sich eigentlich einfach beantworten: Die Zufuhr muss den Verlust ausgleichen – und zwar jeden Tag. Weil der Verlust aber stark variieren kann, macht eine pauschale Bezifferung der benötigten Menge nicht viel Sinn. Dennoch sieht man im Kontext des Wasserhaushalts häufig einen Wert von zwei bis drei Litern Flüssigkeitsverlust pro Tag. Für Erwachsene mit durchschnittlichem Körpergewicht, bei minimaler körperlicher Aktivität und kühlen bis moderaten Umgebungstemperaturen ist diese Verlustangabe durchaus realistisch. Sobald man aber körperlich aktiv wird, in die Höhe geht oder die Temperaturen sommerlich warm werden, erhöhen sich die Verluste.
Faustregel für Basiszufuhr
Wie kommen wir zu genügend Flüssigkeit? Bei einer gemischten, abwechslungsreichen Ernährung mit vielen frischen Lebensmitteln liefern Getränke etwa einen bis eineinhalb Liter pro Tag und feste Lebensmittel rund einen halben bis einen Liter. Hinzu kommt noch ein guter halber Liter an «Stoffwechsel-Wasser», der beim Abbau der Kohlenhydrate und Fette im Körper entsteht. Dies ergibt eine tägliche Flüssigkeitszufuhr von zwei bis drei Litern, die für mässige Temperaturen und geringe körperliche Aktivität ohne Schwitzen – sofern man nicht in der Höhe verweilt – in etwa stimmig ist. Entsprechend lautet eine häufige Empfehlung für die Getränke: Trinke etwa einen bis zwei Liter pro Tag.
Bei einem körperlich aktiven Lebensstil, bei Wärme oder in der Höhe steigt der Bedarf aber an. Die Schweissverluste schwanken bei sportlichen Belastungen von ein paar Stunden Dauer zwischen 0,1 und mehreren Litern pro Stunde. Und in der Höhe in den Schweizer Alpen kann man an einem einzigen Tag bis zu einem zusätzlichen Liter nur über die Ausatmung von Wasserdampf verlieren. Für einen simulierten Anstieg auf den Mount Everest schätzt man den zusätzlich zum Schwitzen erwarteten Atmungsverlust auf rund zwei Liter.
Was trinken?
Für die alltägliche Basiszufuhr kommen jene Getränke infrage, die weder Zucker noch künstliche Süssungsmittel enthalten. An erster Stelle steht Wasser, idealerweise nicht aus Plastikflaschen, aber auch Aufgüsse wie Kaffee oder Tee. Früchte- oder Gemüsesäfte passen ebenso, auch wenn sie (natürlichen) Zucker enthalten. Sie sollten aber eher als Ergänzung anderer Getränke und nicht als einzige Wahl betrachtet werden.
Beim Wasser spielt es generell keine Rolle, ob es Kohlensäure enthält oder nicht. Zu beachten ist, dass verschiedenen Mineralwasser stark variierende Gehalte an Mineralstoffen enthalten, insbesondere an Kalzium. Eine aktuelle Mineralisierungstabelle findet sich unter www.mineralwasser.swiss
Trinken im Sport
Der Sport hat schon alle möglichen Trinkempfehlungen durchlebt. Von gar nichts trinken bis so viel wie möglich trinken war alles dabei. Seit einigen Jahren sind sich die Fachleute zumindest in einem generellen Aspekt einig: Die Abnahme des Körpergewichts aufgrund des Schwitzens während einer sportlichen Belastung sollte nicht zu hoch ausfallen, denn andernfalls nimmt die Leistungsfähigkeit ab.
Beim tolerierbaren Verlust ist man sich hingegen nicht einig. Übersteigt dieser zwei Prozente des Körpergewichts, steigt auch die Gefahr, dass die Leistungsfähigkeit darunter leidet (insbesondere bei Stop-and-go-Belastungen). Bei reinen Ausdauerbelastungen toleriert man hingegen eine Spur mehr, vielleicht etwa drei bis vier Prozente. Bei einem 80-Kilo-Mann wären das also rund 2,5-3 Kilogramm Schweissverlust.
Was und in welchem Rhythmus man trinkt, hängt von den Zielen der Belastung ab. Wenn die Intensität oder der Umfang gering sind, die Leistung keine Rolle spielt oder der Fokus auf Fettverbrennung liegt, dann trinken wir besser Wasser und nicht kohlenhydrathaltige Sportgetränke. Das Durstgefühl darf dann durchaus die Trinkmenge steuern.
Ist aber das Gegenteil das Ziel, also bei hohen Intensitäten, grösseren Umfängen oder wenn die Leistung entscheidend ist, dann sind Sportgetränke oft von Vorteil, weil sie neben Flüssigkeit auch Kohlenhydrate liefern. Die sinnvolle Menge bewegt sich dann zwischen 0,4 und 0,8 Litern pro Stunde, die idealerweise in Trainings für verschiedene Umgebungsbedingungen angepasst werden sollte und verteilt alle rund 15 Minuten zu trinken ist.
Zu beachten: Bei einem vordefinierten Trinkplan mit hohen Trinkmengen besteht die Gefahr eines «zu viel Trinkens». Dies ist insbesondere bei geringen Schweissverlusten und längeren Belastungen möglich, lässt sich aber gut anhand des Körpergewichts überprüfen. Nimmt man während einer Belastung zu oder bleibt gleich schwer (also alle Zustände ausser einer Gewichtsabnahme), so hat man während der Belastung zu viel getrunken.
Im besten Fall wäre dies unnütz und wahrscheinlich leistungsmindernd, im ungünstigsten Fall und bei entsprechender Veranlagung kann dies aber über eine Blutverdünnung – eine sogenannte Hyponatriämie – fatal enden. Dies kann übrigens auch ausserhalb des Sports erfolgen, wenn die Zufuhr höher als die Harnmenge ist, die über die Nieren ausgeschieden werden kann, also ohne gleichzeitige Schweissverluste mehr als rund 0,7 bis 1,0 Liter pro Stunde getrunken wird.
Trinken kann man trainieren
Grundsätzlich ist der Durst bei Erwachsenen ein guter Kontrollmechanismus für den Erhalt eines notwendigen Flüssigkeitsniveaus im Körper. Dementsprechend müsste man sich keine grossen Gedanken um die Bestimmung des individuellen Flüssigkeitsbedarfs machen. Der Körper passt hier ganz gut auf uns auf.
Im Alter kann aber das Durstempfinden, auch als Folge von altersbedingten Erkrankungen, nachlassen und bei älteren Erwachsenen ist eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr nicht selten. Daher ist es nicht falsch, schon vor dem «Alter» und bei gutem Durstempfinden bewusst auf eine regelmässige Flüssigkeitszufuhr zu achten und so das richtige Trinken zu trainieren.
*Ernährungs-Experte Dr. Paolo Colombani ist wissenschaftlicher Berater mit eigener Firma. Zusammen mit Dipl. Ing. ETH Christof Mannhart betreibt er «Notabene Nutrition, das Web-Magazin mit fundierten Artikeln zu Lebensmitteln, Supplementen & Healthy Living. www.colombani.ch; www.notabenenutrition.media
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